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Archiv-Artikel

Großmeister von morgen

Die Schule am Baumschulenweg ist Deutscher Meister im Grundschul-Schach. Zum zweiten Mal hat diese Schule damit einen bundesweit ausgeschriebenen Preis gewonnen. „Für Kinder ist es schwierig, wenn sie unterfordert sind“, sagt die Schulleiterin

Bremen taz ■ „Schach dauert immer etwas länger“, weiß Helmut Geils. Vor vierzehn Jahren hat der Lehrer an der Grundschule Baumschulenweg die Schach-AG gegründet und seitdem ambitioniert geführt. Jetzt siegten Christian Schäfer (9), Marcel Richert (10), Fabius Sasse (8), Julian Ismail (10) und Ersatzmann Jakob Sölter (10) bei den Deutschen Meisterschaften in der Grundschulklasse.

Auf ihren ihren Erfolg haben Lehrer und Kinder hart hingearbeitet. Neben der wöchentlichen Schach-AG besuchen die Besten der Kids zusätzlich das Training bei der Schachabteilung des SV Werder Bremen. Gespielte Partien werden gemeinsam an einem großen Magnetbrett analysiert. Und in manchen Familien wird zu Hause auch noch Schach gespielt – mit den älteren Geschwistern, die selbst schon am Baumschulenweg ans Brett herangeführt worden waren.

Der Weg in die Schach-AG steht in der Grundschule am Baumschulenweg bereits Erstklässlern offen. Die drei pädagogischen Betreuer würden am liebsten ein Pilotprojekt auf die Beine stellen, in dessen Rahmen Schach als festes Schulfach etabliert werden könnte. Bewundertes Vorbild sind „die Schachschulen in Russland“, sagt der Pädagoge Ralf Pfeifferling.

In Bremen haben sich die vier mühelos durchgesetzt bei den Landesmeisterschaften und durften nach Berlin fahren. Ehrgeiz fordert Opfer: Da herrschte um halb neun strikte Bettruhe im Mannschaftszimmer. Julian Ismail hat das aber nicht gestört: „Schließlich ging es ja um die Deutsche Meisterschaft!“

Besonders stolz ist darauf, dass die Grundschulkinder sich in Bremen auch in der nächst höheren Gruppe der 11-12 Jährigen gegen die dort versammelten Gymnasiasten gewonnen hatten (taz vom 2.4.). Und das, obwohl Fabius Sasse erst in die zweite Klasse geht und Christian Schäfer in die dritte.

Ein einzelnes, alles entscheidendes Spiel habe es in Berlin nicht gegeben, erzählt Ismail. Jede gewonnene Partie der vier Spieler habe den Sieg einfach nur sicherer gemacht.

Was ist das Geheimnis des Erfolges dieser Grundschule? Vom ersten Schultag an würden Ansprüche an die Kinder gestellt, sagt Schulleiterin Julie Kohlrausch, darin liege das Erfolgsrezept des Baumschulenwegs. „Für Kinder ist es schwierig, wenn sie unterfordert sind“, ist sie überzeugt. „Wenn man ihnen aber Anreize gibt, ihnen zeigt, dass die hohe Messlatte erreichbar ist – es ist unwahrscheinlich, was Kinder dann alles leisten können“.

Die pädagogischen Schwerpunkte sind vom Kollegium gemeinsam beschlossen und konsequent umgesetzt worden. Seit 1993 konzentriere man sich auf Naturerziehung, Lesen und Schach. Mit der Idee, die Kinder Nutztiere auf dem Schulhof halten zu lassen, gewann man vor zwei Wochen einen bundesweiten Wettbewerb für Ganztagesschulen (taz vom 21.4.). An die Naturnähe hätte man die Eltern erst gewöhnen müssen, lacht Kohlrausch. „Und die Kinder mussten erst mal lernen, sich dreckig zu machen.“ Mit dem Schach-Schwerpunkt hätten sich die Eltern in Neu-Schwachhausen leichter anfreunden können.

Ein Problem hat die Musterschule: Der beliebte Bolzplatz soll verloren gehen, weil das Gelände vom Sportverein 1860 bebaut wird. Bildungssenator Willi Lemke (SPD) findet das nicht schlimm: „Ihr habt eine so tolle Schule – ich finde, da muss man nicht traurig sein, dass nicht alles durchzusetzen ist“, sagte Lemke, als er von Schülern für die eigene Zeitung des Baumschulenwegs befragt wurde. Peter König