: Gefängnisse in der digitalen Steinzeit
Fehlende Digitalisierung erschwert Informationsfreiheit
Während die Digitalisierung draußen längst in alle Lebensbereiche vorgedrungen ist, bleibt sie hinter Gefängnismauern weitgehend außen vor. Die Möglichkeit aktuelle Nachrichten und Informationen zu erhalten, ist für Inhaftierte immer noch sehr lückenhaft.
Seit dem 17. Oktober 2025 – der taz-Seitenwende – ist die taz für Gefangene zu einer Wochenzeitung geworden. Nur noch die Wochenendausgabe erscheint gedruckt und wird dadurch für Gefangene beziehbar. Denn in Justizvollzugsanstalten gibt es keinen freien Zugang zum Internet, zu ePaper oder Online-Angeboten von Zeitungen. Die taz-Seitenwende bedeutet für Gefangene also bis auf weiteres, das Errichten von Seitenwänden, die den Blick auf die tägliche taz-Berichterstattung verstellen. Die fehlende Digitalisierung in Gefängnissen heißt für Inhaftierte kurz gesagt: fünfmal weniger taz lesen pro Woche.
Ein Zugang zu digitalen Lerninhalten besteht im Vollzug lediglich in einem eingeschränkten Umfang wie z.B. über die Lernplattform elis – eLearning. Die Nutzung dieser Plattformen geschieht in der Regel nicht im Haftraum, sondern in speziellen Computerräumen z.B. in der Anstaltsschule. Diese Räume sind jedoch nur zeitlich beschränkt betretbar und auch nicht allen Gefangenen zugänglich.
Bei der Einführung eines Haftraummediensystems ist Berlin am weitesten fortgeschritten. Das Haftraummediensystem soll Fernsehen, Radio, Telefon und in eingeschränkter Form auch Internet direkt in die Hafträume bringen. Geplant ist in diesem Zusammenhang auch die Nutzung des Medienangebots des Verbunds Öffentlicher Bibliotheken Berlins (VOEBB) für alle Gefangenen zu ermöglichen. In Berliner Vollzugsanstalten ist also ein Ende der Informationsbeschränkung in Sicht. In anderen Bundesländern, wie in Baden-Württemberg wird geprüft, ob und in welcher Form das Haftraummediensystem eingeführt werden soll – in vielen anderen Bundesländern ist es überhaupt noch kein Thema.
netzpolitik.org berichtet: Die Einführung eines Haftraummediensystems birgt auch Probleme. Anbieter des Systems ist die Hamburger Firma Telio, die bereits den Großteil der deutschen Justizvollzugsanstalten mit Telefonsystemen versorgt – und damit ein nahezu vollständiges Marktmonopol innehat. Der Zugang zu den Leistungen des Haftraummediensystems ist für Inhaftierte nicht kostenlos – ein Problem bei dem geringen Einkommen, das Inhaftierten zur Verfügung steht.Während draußen Zeitungen mehr und mehr digital werden und das Internet längst zum Alltag gehört, herrscht hinter Gefängnismauern digitale Steinzeit. Genau hier setzt Freiabonnements für Gefangene e.V. an und versucht bei der Verwirklichung des Grundrechts auf Informationsfreiheit zu helfen: durch die Vermittlung von Printmedien an Gefangene und die Unterstützung der Forderung digitalen Zugang zu Nachrichten und Informationen zu ermöglichen.
Was bedeutet die taz-Seitenwende für die Knastabos?
Inhaftierte haben noch auf lange Sicht keinen freien Zugang zum Internet. Sie können nur die gedruckte taz lesen, sich finanziell aber kein Zeitungsabo leisten.
Die taz-Printausgabe ist nun werktags auf digital umgestellt. Gefangene können aber noch die gedruckte wochentaz erhalten.
Das können Sie tun:
Verschenken Sie zu Weihnachten ein wochentaz-Abo an einen Gefangenen!
Am besten sechs Monate oder ein Jahr zum ermäßigten Preis von 22,40 € / Monat.
Hier geht es zum Formular: taz.de/knastaboschenken
Weitere Informationen: taz.de/knastabo
Dank an alle Spender*innen
Die taz-Knastabos werden allein durch Spender*innen / Schenker*innen ermöglicht, die mit
ihrem Beitrag gleich mehreren helfen: Die gedruckte taz wird an durchschnittlich sechs Mithäftlinge weitergegeben. Außerdem unterstützen Sie mit jedem taz-Abo an Gefangene zugleich die taz.
Wer eine Spendenquittung benötigt, spendet an den Verein Freiabonnements für Gefangene e.V. Vielen Dank für Ihre Solidarität!
40 Jahre Freiabonnements für Gefangene e.V.
Der Berliner Verein wurde 1985 von der taz mitbegründet, um Zeitungen und Bücher an Gefangene zu vermitteln. In der Weihnachtszeit startet jährlich die Aktion „Ein Buch als Weihnachtsgeschenk“, außerdem werden an Weihnachten Sonder- und Telefongeld sowie Weihnachtspakete für Gefangene vermittelt.
Weitere Infos: https://freiabos.de/ueber-uns
Sybill Knobloch
Sybill Knobloch, Geschäftsführerin von Freiabonnements für Gefangene e.V.
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