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Archiv-Artikel

Uitstekend gemein

Im Halbfinal-Rückspiel der Champions League beherrscht ein großartiger PSV Eindhoven den wankenden Giganten AC Mailand, gewinnt 3:1 und scheidet nach dem Hinspiel-0:2 siegreich aus

AUS EINDHOVEN BERND MÜLLENDER

„Uitstekend“ sagt der Holländer uitstekend gern. Uitstekend heißt herausragend und war am Mittwochabend nach dem tragischen Match gegen den AC Mailand in aller Munde. „Wir haben doch uitstekend gut gespielt“, befand trotzig Mark van Bommel, der Mittelfeldstratege des PSV. Altmeister Johan Cruijff hatte den PSV „taktisch und technisch uitstekend“ gesehen. Und Trainer Guus Hiddink bescheinigte seiner jungen Elf erst „uitstekend modernen Fußball“ und dann „eine uitstekend traurige Erfahrung“. 3:1 hatte der PSV Eindhoven gewonnen, was wegen der Auswärtstorregel aber zu wenig war nach dem 0:2 im Hinspiel. Und so darf am 25. Mai in Istanbul der AC Mailand gegen den FC Liverpool das Finale der Champions League spielen. Die Art und Weise, wie dieser trotzdem „fantastische Abend“ (Hiddink) sich entwickelt hatte, wird indes in den Geschichtsbüchern des Fußballs im Kapitel Gemeinheit und Ungerechtigkeit einen besonderen Eintrag bekommen.

Der krasse Außenseiter Eindhoven hatte mit schnellem Passspiel, technisch stets auf everestösem Niveau, Mailand weitgehend beherrscht und manchmal über den Platz gescheucht, dass es eine Lust war. Lauter Ballwiesel hatten sie dabei, die auch in Bedrängnis immer eine Lösung wussten. Das erste Tor durch den wirbelwindigen Koreaner Ji-Sung Park fiel früh (9. Minute), weitere Chancen nach feinen Ballstafetten blieben ungenutzt, darunter ein Lattenschuss.

Schon zur Halbzeit hatte Kölns Interimstrainer Huub Stevens „die fantastische Organisation und dauernde Bewegung“ des PSV gelobt. Die außerordentliche Intensität steigerte sich nach dem Wechsel, vor allem nach dem ausgleichenden 2:0 durch Cocus Kopfball feierte das Publikum jede Ecke für den PSV wie einen WM-Titel.

Mailand zelebrierte mühevolle Schadensbegrenzung. Selbst die Gazzetta dello Sport musste gestern feststellen: „Am Ende kommt eines der unsichtbarsten Milans der letzten Jahre weiter. Unverdient.“ Weltfußballer Schewtschenko? Tatenlos. Brasiliens Mehrfachweltmeister Cafu: ausgebremst und manchmal, wie vor dem 2:0, von Koreaner Young-Pyo Lee ausgetanzt. Cafus Landsmann Kaka: noch schwächer. Seedorf: am schwächsten und unter höhnischem Applaus ausgewechselt. Aber das Starkonvolut, das Leute wie Costacurta, Serghino, Inzaghi und Rui Costa als tatenlose Bankdrücker dabei hatte, ist eiskalt.

Vielleicht hätte die Stadionregie vor dem Spiel und in der Halbzeit nicht die wummernden Rhythmen von „Mission: Impossible“ einspielen solchen. In der Fernseh-Kultserie der 60er-Jahre musste ein Team ausgebuffter Spezialisten mit Einfallsreichtum, Teamgeist und guten Nerven aussichtslose Fälle lösen – wie der PSV am Mittwoch. Am Ende des Vorspanns hieß es immer: „Dieses Band wird sich in fünf Sekunden selbst zerstören.“ Mailands Massimo Ambrosini zerstörte Eindhovens Mission in einer einzigen Sekunde der Unaufmerksamkeit: Flanke Kaka nach 90:01 Minuten, Kopfballwischer Ambrosini, drin.

2:1. Entsetzen. Das Aus. Mission gescheitert. Fußball ist kein TV-Spaß. Ein paar Atemzüge war es totenstill im Philips-Stadion. Und plötzlich brauste donnernder Applaus auf, eine Verneigung für die Riesendarbietung. Als im selben Moment ein Wolkenbruch niederging, glaubte man endgültig einer großen tragischen Inszenierung beizuwohnen. Fast schon obszön, dass den siegreichen Verlierern nach 92 Minuten (wieder Cocu) noch das dritte Tor gelang – als es nichts mehr nutzte. Danach das finale Schauspiel gescheiterter Männer: Kopfschütteln aufrecht oder liegend, schluchzen, stiere Blicke ins Leere, Tränen im übergezogenen Trikot verbergend. Mailands Duselzyniker jubelten verhalten, als schämten sie sich. Johan Cruijff wusste: „Milan ist nur hinterhergelaufen.“ Jungspund Theo Lucius sagte: „Ein Fiasko.“

Fußball kann uitstekend gemein sein. Und der maulfaule Milan-Coach Carlo Ancelotti bescheinigte seiner Elf eine, so die Übersetzung, „uitputting slag“, eine erschöpfende Schlacht, „gegen eine großartige Eindhovener Mannschaft“. Eine Höflichkeitsfloskel, der sich der traurige Guus Hiddink nicht anschließen wollte: „Es ist schwer, Milan Respekt zu zollen“, sagte er nur. Er sah dabei uitstekend traurig aus.