Gewaltschutzprojekte in Berlin: Kommt jetzt die Kürzung der Kürzung?
Gegen die geplanten Einsparungen bei Gewaltschutzprojekten für Frauen gab es Proteste. Nun könnte Schwarz-Rot noch einlenken – auf Betreiben der SPD.
taz | Könnten die geplanten Kürzungen bei den Gewaltschutzprojekten für Frauen doch noch zurückgenommen werden? Der aktuelle Haushaltsentwurf für 2026/2027 sieht Einsparungen in Höhe von 2,57 Millionen Euro im Jahr 2026 vor. Nach Protesten von Frauenorganisationen und angesichts alarmierender Zahlen bei der Zunahme von Gewalt gegen Frauen kündigt SPD-Fraktionschef Raed Saleh jetzt Verbesserungen beim Budget an.
„Die Absenkung im Haushalt muss wieder aufgehoben werden, weil der Bedarf enorm ist“, sagt Saleh. Erst in der vergangenen Woche hat die Senatsinnenverwaltung mit 42.751 Fällen einen Negativrekord bei von Gewalt betroffenen Frauen registriert. Dass es hier einen akuten Finanzierungsbedarf gibt, liegt also auf der Hand.
Im Rahmen der laufenden Haushaltsberatungen soll laut Saleh die geplante pauschale Kürzung bei den Gewaltschutzprojekten um 2 Prozent nun also doch nicht kommen. „Wir haben mit dem Koalitionspartner auf der Fachebene eine Einigung erzielt, die aber noch einmal in der Schlussrunde besprochen werden muss“, so der Fraktionsvorsitzende. „Wir können davon ausgehen, dass das noch einmal nachgebessert und korrigiert wird.“
Darüber hinaus kündigte Saleh den Ausbau der Schutzplätze für Frauen an. Wann das geschehen wird und wie viele es genau sein werden, lasse sich allerdings noch nicht sagen. Hier gehe es der SPD vor allem um die politische Richtung. „Wenn wir das mit dem Koalitionspartner durchkriegen – wovon ich fest ausgehe –, werden wir das noch mit der jeweiligen Verwaltung umsetzen.“
Komplette Rücknahme der Kürzungen nötig
In Berlin fehlten weiterhin 486 Schutzplätze gemäß den bundesweiten Empfehlungen der Frauenhauskoordinierung, sagt Lenou Müssig vom Frauenhaus Cocon. „Die Ankündigung, dass die Kürzungen zurückgenommen werden, klingt erstmal gut“, findet sie. Aus einem Bericht des Tagesspiegels hat der Verein vom möglichen Einlenken der Koalition auf Betreiben der SPD erfahren. Allerdings hat der Verein bislang keine offiziellen Informationen dazu bekommen. „Was das konkret in der Umsetzung heißt, wissen wir also nicht“, so Müssig.
Um die Situation zu entschärfen, sei nicht nur die vollständige Rücknahme der Pauschalkürzung notwendig – die laut den Verbänden in vielen Fällen höher als 2 Prozent ist, wenn erhöhte Kosten und Tarifsteigerungen berücksichtigt werden –, sondern auch eine grundsätzliche Erhöhung der Budgets aller Projekte im Gleichstellungsbereich. Das Frauenhaus Cocon muss aufgrund der hohen Auslastung immer wieder Anfragen ablehnen.
Die Geschäftsführerin der Beratungsstelle LARA e.V., Friederike Strack, weist darauf hin, dass die Situation der Schutzplätze und der Beratungsstellen nicht so leicht voneinander zu trennen ist. „Es muss immer mitgedacht werden: Ohne die Fachberatungsstellen funktioniert das ganze System nicht. Weil darüber ja viele erst ins Frauenhaus kommen“, so Strack.
Aktuell betrügen die Wartezeiten der Beratungsstelle wegen des Kapazitätsmangels ein bis zwei Monate. Nur bei akuten Fällen gebe es auch weiterhin keine Wartezeiten. „Wenn die Verbesserungen auch für die Beratungsstellen gelten, würde ich mich sehr über eine Rücknahme der Kürzungen freuen“, so Strack. Die Hoffnung auf eine Umentscheidung angesichts der Kürzungen gebe sie nicht auf.
Nach dem aktuellen Plan soll erst 2027 wieder mehr Geld für Gewaltschutzprojekte für Frauen fließen: Dann sind 42 Millionen Euro eingeplant, im Vergleich zu 36 Millionen Euro im kommenden Jahr. Die nächste Sitzung des Ausschusses für Frauen, Gleichstellung und Integration findet am 13. November statt.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!