Mit Märchen zum Mediator

Praxisorientierte Handlungsstrategien: Eine neue Weiterbildung wendet sich an Menschen, die mit Migranten arbeiten. Die Fortbildung soll zu interkultureller Beratung und Mediation befähigen

von Eva Weikert

Zu Bernhild Schrand kommen Sicherheitsingenieure, Marineoffiziere, Marketingstrategen und Pädagogen. Die Dozentin für Supervision und freiberufliche Kommunikationstrainerin bildet Mediatoren aus und schult Menschen im Umgang mit anderen Kulturen. Dafür hat sie an der Universität Hannover eine interkulturelle Beratungsausbildung ins Leben gerufen. Die Weiterbildung wendet sich an Menschen, die ehrenamtlich oder beruflich mit Migranten arbeiten. Der Bedarf an Mediatoren und interkulturellen Beratern sei „höher denn je“, meint die Trainerin: „Wir leben in einer Migrationsgesellschaft, in der kulturübergreifende Interaktionen in immer mehr Arbeitsfeldern selbstverständlich werden.“

Manchmal, sagt Schrand, würden Menschen mit Migrationshintergrund Deutsche als „sehr direkt und damit auch als unfreundlich“ empfinden. Andersherum machten manche Migranten die Erfahrung, dass das Lachen bei der Arbeit hierzulande nicht immer „positiv“ von Kollegen bewertet werde. Oder nur laut zu sein: Schrand erzählt von einer Klientin aus Lateinamerika, die in Deutschland als Ärztin arbeitet. Diese habe von ihren Kollegen stets signalisiert bekommen, sie „rede zu laut, sei zu präsent“, so die Supervisorin. „Solche Rückmeldungen verletzen und haben gleichzeitig die Funktion, Menschen davon abzuhalten, deutlich ihre Meinung zu sagen.“ Die Frau habe wegen der abweisenden Reaktionen sogar ihren Arbeitsplatz gewechselt.

Schrand will Menschen befähigen, „Handlungsstrategien“ gegen solche Konflikte zu entwickeln und zwischen den Kulturen zu „übersetzen“. Die Teilnehmer ihrer Weiterbildung mit dem offiziellen Titel „Interkulturelle Beratungskompetenz und Mediation“ müssen Grundkenntnisse in interkultureller Kommunikation mitbringen. Der etwa zwei Jahre dauernde und 380 Unterrichtsstunden umfassende Lehrgang gliedert sich in drei Schwerpunkte: Im ersten Teil soll die eigene kulturelle Identität thematisiert und begriffen werden. Danach stehen Handlungs- und Methodenkompetenz für Beratung, Mediation und Supervision auf dem Plan.

Im dritten Modul folgt die Auseinandersetzung mit Kulturtheorien sowie Konflikt- und Organisationstheorien. Dabei gehe es beispielsweise um Körperbilder und Körpersprache in den verschiedenen Kulturen. Der Genderaspekt – also das Geschlechterverhältnis – sei nicht als einzelner Baustein zu erörtern, sondern in jedem Thema integriert.

Wie Schrand verspricht, ist die Weiterbildung „sehr praxisorientiert“. Ein Lernfeld sei allein schon die Teilnehmergruppe: Wie das Dozententeam – Schrand unterrichtet mit Kotrainern – sei sie multikulturell zusammengesetzt.

Die Theorie werde stets über praktische Übungen erarbeitet, verspricht die Leiterin. Methoden seien etwa das Psychodrama und Rollenspiele. „Lernen geht immer stark über Selbsterfahrung“, meint sie, „darin liegt der Schlüssel fürs Verstehen.“ Oft arbeite sie auch mit Texten: Durch Vorlesen etwa orientalischer Geschichten oder auch russischer Märchen seien verschiedene Perspektiven erfahr- und analysierbar.

Die Teilnehmer stammen zumeist aus sozialen, pädagogischen oder therapeutischen Berufen. Aber auch Mitarbeiter internationaler Unternehmen, Bundeswehrangehörige und Marketingprofis hätten sich schon angemeldet. Manche sind Freiberufler wie die Ingenieurin, von der Schrand berichtet, die Betriebe in puncto Sicherheit am Arbeitsplatz berät. „Die Frau hatte erlebt, dass ihre Sicherheitsstandards nicht immer von allen Mitarbeitern angenommen wurden.“ Andere Selbständige nutzten die Fortbildung, um anschließend als interkulturelle Berater und Deeskalationstrainer arbeiten zu können.

Abgeschlossen wird die Weiterbildung mit einem Zertifikat der Uni Hannover. Die bietet den Lehrgang stets in Kooperation mit einem anderen Bildungsträger an. Im Herbst soll die nächste Ausbildungsrunde starten, diesmal in Kooperation mit dem Bildungswerk der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Niedersachsen.

Kontakt und Information über ver.di, Ursel van Overstraeten, ☎ 05 11/12 40 04 11, overstraeten@bw-verdi.ha.de oder den Fachverband „International Association for Consulting Competence“ mit Sitz in Hannover: www.iacc-ev.org