Zertifikat für Holz: Ökosiegel FSC steht am Scheideweg
Eigentlich soll das FSC-Zertifikat Nachhaltigkeit von Holz attestieren. Doch 20 bis 30 Prozent tragen es zu Unrecht. Das soll sich ändern.
taz | Die Beschaffungsrichtlinie der Bundesregierung verlangt es. Es prangt zudem auf der Einweg-Essensverpackung oder auf dem Gartenstuhl: das FSC-Gütesiegel. Es garantiert, dass das verwendete Holz irgendwie nachhaltig ist oder nachhaltig erzeugt wurde oder aus einer nachhaltigen Lieferkette stammt. Doch die Glaubwürdigkeit des Ökosiegels ist schon länger angekratzt – und leidet immer wieder unter neuen Skandalen.
Die zehnte Mitgliederversammlung der Trägerorganisation des Labels könnte den letzten Ausweg bieten. Sie startete am Sonntag in Panama City. Bis Donnerstag werden dort ihre Mitglieder diskutieren, zu ihnen gehören etwa die Umweltorganisation WWF, das Volk der Warpe (Argentinien) oder der österreichische Spanplattenhersteller Kronospan.
Unter ihnen brodelt es. „Wir haben herausgefunden, dass jeden Tag zwölf neue FSC-Zertifikate ausgestellt werden“, sagt Tara Ganesh von der britischen NGO Earthsight. Dies sei eine schier irrsinnige Menge, schließlich könne das Zertifikat nur von geprüften Holzherstellern verwendet werden.
So dürfen Russland und Belarus, aus denen ein Drittel des global gehandelten Holzes stammen, wegen des Ukrainekriegs das Siegel nicht mehr verwenden. Gleichzeitig verzeichne China bei den FSC-Zertifikaten Zuwachsraten von 37 Prozent, erklärt Ganesh. Nur: Immer wieder fielen chinesische Holzhersteller auf, die russisches Holz oder komplette Holzprodukte mit dem FSC-Siegel nach Europa exportieren.
Bisher konnten Hersteller das System austricksen
Die Umweltorganisation Greenpeace hat das FSC-Label bereits im Jahr 2018 verlassen, um gegen den allzu wirtschaftsfreundlichen Kurs zu protestieren. Der FSC muss sich nun modernisieren und mehr Kontrollen einführen. Nur: Das Beschlusssystem, mit dem die Mitglieder einiges verbessern könnten, blockiert. Beschlüsse müssen einstimmig von drei Kammern gefasst werden. Die Mitglieder sind je nach Schwerpunkt in der Wirtschafts-, Umwelt- oder der Sozialen Kammer organisiert. Kommt kein Konsens zustande, muss die Entscheidung auf die nächste Versammlung verschoben werden.
Der Vorschlag, der die Glaubwürdigkeit wiederherstellen soll, liegt jetzt als Abstimmungspunkt 30 auf dem Tisch. Bisher konnten Holzhersteller das FSC-System immer wieder austricksen, indem sie beliebig viel Holz mit dem einmal gekauften Zertifikat versahen – auch wenn es illegal geschlagen wurde oder es von anderen Unternehmen ohne Zertifikat dazu gekauft wurde. Alles irgendwie legal. Selbst eine investigative Recherche bewirkte nichts.
Eile ist geboten
Der Antrag 30 soll das ändern. Das FSC-Siegel soll nur noch bekommen, wer die Nachhaltigkeit des Holzes für jede einzelne Station nachweisen kann, vom Einschlaggebiet bis zum Produkt. Einem FSC-Insider zufolge tragen zwischen 20 bis 30 Prozent des weltweit gehandelten Holzes fälschlicherweise das FSC-Siegel. Das ist Holz im Wert von 30 Milliarden Euro.
Bisher konnte sich das FSC-Siegel nur halten, weil die EU ihre eigenen Regelungen wie die Holzhandelsrichtlinie EUTR nicht zwingend befolgt oder die Einführung der Anti-Entwaldungsmaßnahmen EUDR verschoben hat. Doch ab 2026 ändert sich das, dann müssen Unternehmen belegen, woher ihr Holz stammt. Daher die Eile: Wenn die Mitgliederversammlung Antrag 30 nicht annimmt, wird der FSC sich selbst überflüssig machen.
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