: „Viele Genossen blieben auf der Strecke“
Labour verliert gegen historisch starke Unabhängige. Auch Irakkrieg-Kritiker George Galloway siegt in Ostlondon
„Viele gute Genossen sind bei der Wahl auf der Strecke geblieben“, bedauerte Premierminister Tony Blair gestern. Am meisten schmerzt ihn der Verlust von Oona King, einer schwarzen Jüdin, die den Irakkrieg bedingungslos unterstützt hat. Sie unterlag am Donnerstag im Ost-Londoner Wahlkreis Bethnal Green and Bow, wo die Bevölkerung zu 60 Prozent aus Muslimen besteht, dem Irakkriegsgegner George Galloway mit 823 Stimmen Rückstand.
Nirgendwo wurde der Wahlkampf mit härteren Bandagen geführt – von Verleumdungsprozessen bis hin zu Straßenschlachten. Der Schotte Galloway war im vergangenen Oktober aus der Labour Party geworfen worden, weil er „ausländische Truppen dazu aufgestachelt hat, sich gegen die britische Armee zu erheben“, wie der Labour-Vorsitzende Ian McCartney es ausdrückte.
Nach seinem Ausschluss war Galloway „Respect“ beigetreten, einem Bündnis verschiedener linker Gruppen, das auch in zwei benachbarten Wahlkreisen gut abschnitt. Sein Wahlsieg sei auch ein Sieg für den Irak, meinte Galloway in seiner Siegerrede. „Die Menschen, die du getötet hast, und die Lügen, die du erzählt hast, sind nun zurückgekommen und haben dich heimgesucht“, sagte er an Blair gerichtet und wünschte ihm, seine Partei möge ihn umgehend feuern.
Noch peinlicher war für Blair die Niederlage von Maggie Jones im südwalisischen Blaenau Gwent. Jones, Gewerkschafterin und loyale Blair-Anhängerin, war vor vier Jahren mit einer Mehrheit von 19.000 Stimmen gewählt worden. Nur in vier Wahlkreisen im ganzen Land hatte Labour damals mit noch größerem Vorsprung gewonnen. Früher hatten hier die Labour-Führer Aneurin Bevan und Michael Foot unangefochtene Siege gefeiert.
Doch diesmal verlor die Labour-Kandidatin gegen Peter Law, der aus der Labour Party ausgeschlossen worden war, weil er die Labour-Führung als „Kontroll-Freaks“ beschimpft hatte. Law war einer von 167 parteiunabhängigen Kandidaten. So viele hatte es noch nie bei einer Wahl gegeben. Law musste sich mitten im Wahlkampf wegen eines Hirntumors operieren lassen. Er war früher Gemüsehändler, mischt aber schon seit 35 Jahren in der Lokalpolitik mit. Er sagte nach der gewonnenen Wahl: „Das kommt davon, wenn man den Menschen nicht zuhört. Wir lassen uns nicht manipulieren.“
Die rechtsextreme British National Party (BNP) profitierte offenbar von der Anti-Immigrations-Kampagne der Tories. Vor allem in den heruntergekommenen Innenstädten in Nordengland schwenkten viele gleich zur BNP um, so dass die Partei in manchen Wahlkreisen ihren Stimmenanteil auf knapp vier Prozent verdoppeln konnte. RALF SOTSCHECK