: Mit und über Nazis reden
Ein Herner Projekt arbeitet seit fünf Jahren mit Jugendlichen aus der rechten Szene zusammen. Eine Veranstaltungswoche soll nun über die verschiedenen Inhalte informieren
VON HOLGER PAULER
Das Herner Projekt „Demokratie Live“ arbeitet seit fünf Jahren mit rechten Jugendlichen. „Landesweit einmalig“, glauben die Initiatoren. Zumindest sei über ähnliche Projekte nichts bekannt, sagt Willi Karrach von der Jugendgerichtshilfe. Gemeinsam mit seinem Kollegen von der Jugendschutzhilfe, Holger Höhner-Merthmann, bietet er politische und kulturelle Bildungsarbeit für Jugendliche aus dem rechten Spektrum an. Um die Sache einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, findet noch bis zum Freitag eine Ausstellung in Foyer der Volkshochschule Herne statt. Das Motto: „Rechte Jugendliche – Zwischen Lifestyle, Clique und Partei.“
Die Ausstellung gibt einen Überblick über Organisationen, Szenen, Medien, Lebensstil, Alltagskultur, Musik, Mode und Symbolik der rechten Jugendkultur in Deutschland. Zusätzlich finden Veranstaltungen mit ehemaligen Akteuren der Szene und Streetworkern statt. Heute Abend erzählen Bremer Streetworker über ihre Arbeit mit zum Teil militanten Neonazis. Morgen Abend steht die rechte Musikszene „Von Gabber bis Black Metal“ auf dem Programm. Beginn jeweils 18 Uhr. Täglich um 16 Uhr stehen außerdem verschiedene Filme, die sich mit der rechten Szene beschäftigen, zur Auswahl: Führer Ex, Oi-Warning, Skinheads, Made in Britain und American History X.
Das Programmangebot richtet sich vor allem an betroffene Eltern und Schulklassen. Interessierte sollten sich allerdings, wenn möglich, telefonisch anmelden. „Das Interesse ist groß, der Mittwoch ist so gut wie ausgebucht“, sagt Willi Karrach.
„Demokratie Live“ hat sich bewährt, glaubt zumindest Willi Karrach: „Die Rückfallquote von Leuten, die wir betreuen, liegt bei 30 Prozent.“ Er bezieht sich dabei auf Gewalttäter aus der rechten Szene. Personen, die das Angebot nicht annehmen, begingen demnach zu 80 Prozent erneut eine Straftat mit rechtem Hintergrund. Ein Herauslösen aus der Szene sei eher schwierig. „Wir haben es allerdings eher selten mit militanten Neonazis zu tun“, so Karrach. Viele Jugendliche hätten zwar rechte Ansichten, seien aber nicht organisiert. Das Projekt erhält vom Staatsschutz regelmäßig Infos über die Akteure der örtlichen Szene. In der Regel geben die Projektleiter aber keine Informationen über ihr Klientel an Polizei und Staatsschutz weiter. Die Ausnahme seien Straftaten.
„Die politische Einstellung können wir selten umdrehen“, sagt Karrach. Immerhin, ein NPD-Aussteiger ist mittlerweile als Honorarkraft im Projekt aktiv. Bei der örtlichen Antifa stößt die Arbeit auch eher auf Misstrauen. „Die werfen uns vor, dass wir akzeptierende Arbeit leisten“, sagt Karrach. Das stimme so nicht. „Ihre Meinung können wir den Rechten nicht verbieten“, so Karrach, „bei Straftaten hört unsere Akzeptanz allerdings auf.“
Und die rechtsextremen Straftaten nahmen in den letzten Jahren regelmäßig zu. Die rechte Szene im Ruhrgebiet hat sich stabilisiert. Kaum ein Wochenende ohne Aufmarsch oder Rechtsrock-Konzerte. Jugendliche werden an den Schulen mit Propagandamaterial geködert. „Bei der Bekämpfung der Ursachen rechter Gewalt stoßen wir an unsere Grenzen“, sagt Karrach. Immerhin kümmern sie sich um die Symptome.
Infos: 02323 163259/163502