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Kleine Perle in rauer See

Die Serie „Faithless“ basiert auf einem Ingmar-Bergman-Drehbuch über Leid und Leidenschaft der Liebe. Ein gelungenes Remake

Wiedersehen im Rentenalter: Marianne und David räumen 40 Jahre später mit ihrer Vergangenheit auf Foto: Johan Paulin/SVT/Arte

Von Florian Schmid

Lassen sich Werke des schwedischen Kultregisseurs Ingmar Bergman als Serie verfilmen? Der amerikanische Qualitätsfernsehsender HBO machte das vor vier Jahren schon recht überzeugend mit dem Klassiker „Szenen einer Ehe“.

Bereits vor über 20 Jahren wandte sich der damals junge schwedische Regisseur Tomas Alfredson – heute einem internationalen Publikum bekannt für „Dame, König, As, Spion“ – an Bergman und fragte ihn, ob er dessen Drehbuch „Faithless“ als Serie umsetzen könne. Das Format fand der Nachwuchsregisseur interessant, um Charaktere und Story weiterentwickeln zu können. Bergman hatte das autobiografische Skript nie selbst verfilmt, 2001 machte Liv Ullmann daraus einen Kinofilm, der auch in Cannes lief. Alfredson berichtet, dass Bergman zu ihm sagte, dass er die Idee „unheimlich spannend“, aber auch „wirklich beschissen“ finde. Nun endlich wurde aus dem seit über 20 Jahren geplanten Projekt eine vom schwedischen Fernsehen und Arte produzierte Serie, die sich sehen lassen kann, auch wenn der Sechsteiler nicht an die Filme Bergmans herankommt und Sara Johnsen in ihrem Drehbuch deutliche Änderungen an der Geschichte vornimmt.

Es geht um eine fast klassische Dreiecksgeschichte und die in Bergmans Schaffen immer wieder aufgeworfene und für ihn auch autobiografisch wichtige Frage, wie zerstörerisch eine Scheidung sein kann. In den späten 70er Jahren kehrt Regisseur David (Gustav Lindh) von London nach Stockholm zurück. Er ist eng mit dem Ehepaar Marianne (Frida Gustavsson) und Markus (August Wittgenstein) befreundet. Markus ist erfolgreicher Jazzkomponist. Marianne übernimmt die Hauptrolle in Davids neuem Filmprojekt. Die beiden lassen sich auf eine Affäre ein, Ehemann Markus kommt dahinter, es folgen die Scheidung und ein langwieriger Rechtsstreit um das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter Isabelle (Poppy Klintenberg Hardy).

„Faithless“ setzt eindrücklich das Altwerden in Szene

Diesem Erzählstrang steht ein weiterer gegenüber, der 40 Jahre später angesiedelt ist: Die jungen Künstler von damals sind Mitte 70 und hadern mit den früher getroffenen Entscheidungen. Während im Film von 2001 David (Bergmans Alter Ego) die junge Marianne in Form von Tagträumen erscheint, muss sich der ältere David (Jesper Christensen) in der Serie mit einer ebenso alt gewordenen Marianne auseinandersetzen. Letztere wird von Lena Endre gespielt, die in Liv Ullmans Film vor 24 Jahren noch die junge Marianne darstellte.

Foto: Monika Lenczewska/SVT/ARTE

Die Serie lotet in einer kammerspielartigen Atmosphäre das emotio­nale Mit- und Gegeneinander der Figuren aus, die sich in einer patchwork­artigen Familienkonstellation befinden. Es geht um Eifersucht, Begehren, Sexualität, familiäre Bindungen und gebrochene Treueversprechen. Die romantische Begegnung von David und Marianne hat viel mit dem künstlerischen Prozess des Filmemachens und der Schauspielerei zu tun. Aber auch das Verhältnis der Erwachsenen zu Mariannes und Markus’ Tochter Isabelle spielt eine zentrale Rolle, ebenso wie die hilflose Eifersucht und tiefe Verzweiflung des Ehemannes. „Ich habe dein Leben ­zerstört“, sagt der fast schon greise David zur erwachsen gewordenen ­Isabelle, die das schulterzuckend mit „Ich weiß“ kommentiert, als sich alle in jenem Sommerhaus am See wiedertreffen, wo die Affäre einst begonnen hat.

„Faithless“ erzählt mit großartigen Schauspielern von biografischen Brüchen im Spannungsfeld künstlerischer Arbeit, setzt eindrücklich das Altwerden in Szene und zeigt das Zerstörungspotenzial, das Trennungen und Scheidungen innewohnt. Das mag nicht die Brillanz eines Bergman-Films haben, ist aber im sonst auf schnell dahinfließender Unterhaltung ausgelegten Seriengeschäft eine seltene und sehenswerte Arthouse-Perle.

„Faithless“, in der Arte-Mediathek

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