AfD unterliegt bei Bürgermeisterwahlen: Keine braune Welle in Brandenburg
Vor allem parteilose Kandidaten triumphieren bei den Bürgermeisterwahlen in Brandenburg. Die Rechtsextremen bleiben deutlich unter ihren Erwartungen.

Statt der lang von der extrem rechten AfD angekündigten „Blauen Welle“ gab es eher zum Herbstwetter passende braune Pfützen: Nach dem unterdurchschnittlichen Abschneiden der AfD bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen haben die Rechtsextremen erneut Bürgermeisterwahlen verloren – diesmal in Brandenburg.
In Potsdam kommt es nach dem ersten Wahlgang zur Stichwahl zwischen der parteilosen Noosha Aubel (34 Prozent) und dem SPD-Politiker Severin Fischer (16,9) – der AfD-Kandidat landete abgeschlagen auf dem fünften Platz mit 13 Prozent hinter CDU (16,5) und Linke (16). In der wirtschaftlich prosperierenden Landeshauptstadt von Brandenburg waren 143.000 Menschen wahlberechtigt, die Wahlbeteiligung lag bei 55,5 Prozent.
Aber auch im wirtschaftlich gebeutelten Frankfurt (Oder) lag für viele überraschend der parteilose Einzelbewerber Axel Strasser mit 32,4 Prozent vor der AfD mit Wilko Möller, die mit 30,2 Prozent hier allerdings in die Stichwahl einzieht. Bemerkenswert: Der parteilose Politikwissenschaftler Strasser hatte sich zuvor politisch nicht hervorgetan, war Referent der lokalen IHK. Drittplatzierte wurde die CDU-Kandidatin Désirée Schrade mit 28,8 Prozent – sie wurde bei der Wahl vom beliebten Ex-Bürgermeister René Wilke (parteilos, für die Linke gewählt) unterstützt, der mittlerweile Brandenburgs Innenminister ist.
Die extrem rechte AfD hatte sich nach dem Abtritt von Wilke besonders viele Chancen ausgerechnet und gab sich nach der Abstimmung zerknirscht, der Stimmauszählung im Rathaus war sie ferngeblieben. In Frankfurt sind rund 46.000 Menschen wahlberechtigt, die Wahlbeteiligung lag bei 53,4 Prozent.
Hauptsache Opfer
In den beiden kleineren Kommunen Velten und Glienicke/Nordbahn (je rund 10.000 Einwohner) schaffte es ebenfalls kein AfD-Kandidat in die Stichwahl. In Velten machen Marcel Siegert vom Bürgerbündnis Pro Velten und die wiederum parteilose Manuela Nebel die Stichwahl unter sich aus. In Glienicke/Nordbahn gehen Kandidaten von CDU und SPD in die Stichwahl. Die Rechtsextremen blieben in beiden Orten trotz teils prominenter Wahlkampfhilfe deutlich unter ihren Erwartungen jeweils auf dem dritten Platz.
Der Historiker und Ostdeutschland-Experte Ilko Sascha-Kowalczuk fasste es auf Bluesky so zusammen: „Offenbar trauen viele Wähler*innen den AfD-Kandidaten keine sachgerechte Kommunalpolitik zu, weil die Fragen, für die die AfD sich zuständig fühlt, nicht auf kommunaler Ebene entschieden werden.“ Ebenso zeige sich, dass häufig Kandidat*innen gewinnen, die entweder parteilos sind oder aber von mehreren Parteien gegen die Rechtsextremen unterstützt werden. Das helfe kurzfristig gegen Wahlerfolge der AfD – gleichzeitig werde das mittel- und langfristig nicht helfen – schon gar nicht auf Landes- und Bundesebene.
Die Devise der AfD lautete nach dem für sie gebrauchten Wahlabend Hauptsache Opfer: René Springer, Vorsitzender des völkisch-nationalistisch dominierten AfD-Landesverbands, hatte sich mehr erhofft und witterte angesichts der Niederlagen natürlich gleich die große Verschwörung: Es habe sich eine erstaunliche Diskrepanz zwischen Briefwahl und Urnenwahl gezeigt – „und immer deutlich zum Nachteil der AfD“, raunte Springer in einer Mitteilung am Sonntagabend. Es ist die alte AfD-Legende vom angeblichen Wahlbetrug – erst ruft die Partei ihre Wähler*innen jahrelang dazu auf, keine Briefwahl zu machen, dann spinnt sie Verschwörungungserzählungen darüber, dass sie so wenig Briefwahlstimmen hat.
Niederlagen auch in Nauen und Wriezen
Bereits am Sonntag zuvor war die extrem rechte AfD in Nauen mit einem Stadtverordneten, der eine Neonazi-Geschichte hat, mit 15,9 Prozent der Stimmen als Drittplatzierte gescheitert. Hier machen wiederum zwei Kandidaten von einer Kleinpartei bzw. einem Bürgerbündnis die Stichwahl unter sich aus. Und auch im kleinen Wriezen (Wahlberechtigte: 6.000) hatte die CDU den ersten Wahlgang mit 48,8 Prozent vor der zweitplatzierten AfD mit 27 Prozent gewonnen – hier steht allerdings noch die Stichwahl bevor.
In Brandenburg wählen noch fast 30 Städte bis zum Ende des Jahres neue Bürgermeister*innen. Nächsten Sonntag wählen unter anderem Oranienburg, Luckenwalde, Rheinsberg und Eisenhüttenstadt. Am 12. Oktober finden die ersten Stichwahlen statt, darunter in Potsdam und Frankfurt (Oder).
Auch wenn die AfD gerne anderes erzählt und versucht, einen Nimbus der Unbesiegbarkeit vor allem im Osten zu beschwören: Die von den Rechtsextremen angestrebte flächendeckende Übernahme der Rathäuser scheitert immer wieder, und das auch in vermeintlichen AfD-Hochburgen.
Wirklich gewinnen konnten die Rechtsextremen bisher im Jahr 2023 das Landratsamt im Thüringischen Sonneberg (50.000 Einwohner), die Bürgermeisterwahl in sachsen-anhaltischen Raguhn-Jeßnitz (8.700 Einwohner) sowie im sächsischen Pirna (40.000 Einwohner), wo wiederum ein parteiloser Kandidat die OB-Wahl auf dem AfD-Ticket gewonnen hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!