: Positiv denken bis zum starken Abgang
Gute Nachrichten für Senioren beim Berliner Designmai: Alt werden liegt voll im Trend, und auch jenseits der 60 kann man sich noch als Konsumsubjekt profilieren! Doch was haben die Trendforscher nur mit den Farben?„Generation Gold“, „Silver Sex“ – niemand möchte bei Alten mehr „Grau“ sagen
VON ANDREAS BECKER
Ein merkwürdiger 8. Mai war das in Berlin. Hatte man sich doch entschlossen, zunächst die Neonazis zu ärgern und dann zu einer Veranstaltung der gerade angängigen, mit „Designmai“ betitelten Reihe zu gehen. Da die Polizei im Moment eine lasche Berliner Linie verfolgt, wurden wir mal nicht für die Generation Braun zusammengeknüppelt, sondern von Politikern gelobt. Blieb also noch genug Zeit für die Veranstaltung über die Generation Gold – wer immer das nun wieder sein soll. Vielleicht arbeiten Gendesigner ja schon an goldigen statt grauen Haaren für Alte. Als man in die modernistischen Hinterhöfe in Mitte einbiegt, hat man das Gefühl, für die hier locker Rumwandelnden seien Nazis hauptsächlich ein ästhetisches Problem. Sie wären aber auch als Zielgruppe interessant, denn auch die dümmsten Nazis kaufen ja etwas. Ein Brandenburger Hosenhersteller hat sich zum Beispiel auf Klamotten mit Runenlogos unter der Marke Thor Steinar spezialisiert.
Bei der Veranstaltung des Schweizer Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI) ging es dann tatsächlich zunächst wieder mal um die Konsumentengruppe Fünfzig plus, die ja in letzter Zeit gern neu entdeckt wird. Das GDI ist eine Art sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut, das hauptsächlich für „Entscheidungsträger in Wirtschaft und Gesellschaft“ denkt, gegründet vom Gründer der Supermarktkette Migros, in der wohlhabende Schweizer ethisch gut einkaufen können. Immerhin ein Prozent vom Umsatz (nicht Gewinn) geht in Kulturprojekte.
Das „Altersthema habe es in die Köpfe geschafft“, und man habe überhaupt die „weltweit führenden und klügsten Köpfe“ angeheuert, prahlte „Chefredaktor“ Stefan Kaiser von der Zeitschrift GDI_Impuls. Karin Frick, ebenfalls hier Redakteurin, hatte dann die Ehre, das aktuelle Heft zu promoten, indem sie einen groben Überblick über die Konsumentengruppe der ergrauenden Babyboomer gab. Alt werden sei im Trend, es müssten neue Einkaufskanäle entwickelt werden, ja der Seniorenmarkt werde jeden Tag größer, sagte sie. Überhaupt die Technik! Die Unsterblichkeitsmedizin sei auf dem Vormarsch. Nach täglichen Sexekstasen mit 80, dank Viagra, und perfektem Aussehen mittels Schönheitschirurgie, die gerade für Männer immer wichtiger werde, sei es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Ideal des „freiwilligen Abgangs“. Stark.
Karin Frick stellte dann irgendeine Studie vor, für die Menschen über ihr Selbstbild befragt wurden. Im Alter teilt sich die Gesellschaft in Leute, denen Gesundheit und Spiritualität und Aktivität wichtig sind – das wird als positiv gesehen. Negativ dagegen bewertet werden diejenigen, die durch Scheidung, Einsamkeit und Armut langsam vor sich hin rotten. Auch schrecklich, dass man jetzt nicht mal mehr im hohen Alter einfach faul herumhängen darf, ohne als uncool zu gelten. Zusammengefasst für alle Entscheider: Die Generation Gold ist zufrieden und satt. Wenn sie noch konsumiert – so kauft sie gern riesige Flachbildschirme gegen die Sehschwäche –, ist sie bereit, für Qualität auch einen höheren Preis zu zahlen.
Etwas launiger und origineller dann der Vortrag von Peter Wippermann unter der Überschrift „Silver Sex“ – man hat es mit den Farben, keiner darf „Grau“ sagen. Der belegte mit zahlreichen Bildern, dass man Jung und Alt langsam gar nicht mehr unterscheiden könne. Außerdem hatte er die gute Nachricht, dass Leute zwischen 50 und 60 in den nächsten Jahren rund fünf Billionen Euro erben werden. Das Geld werden sie dann angeblich auch wieder in die Vervollkommnung ihrer alternden Körper stecken. Andere hübsche Zahlen von Wippermann: 41 Prozent der Amerikaner zwischen 35 und 50 haben bereits eine Botox-Behandlung hinter sich. Die Männer holen auf beim Schönheitsterror, inzwischen lassen sie schon 20 Prozent aller Schönheitsoperationen an sich ausführen. Anhand eines Fotos der aufgestylten Alice Schwarzer, die sich Verona Feldbusch angenähert habe, will Wippermann die These belegen, dass Ästhetik in Zukunft die Ideologie ersetze. Jetzt wäre es für die Rückfahrt natürlich hoffnungsvoll gewesen, ein Bild eines transformierten Nazis dabei zu haben, der mit langen Haaren im Altersheim vergammelt!