: Planlosigkeit könnte bald Schule machen
DGB und Lehrergewerkschaft werfen den Parteien vor, keine konkreten Konzepte für die Bildungspolitik vorzulegen. Statt dessen gebe es die „sattsam bekannte Mischung aus Eigenlob, Gegnerkritik und vielen schönen Versprechen“
DÜSSELDORF taz ■ Vage Schönfärberei, aber keine messbaren Zielvorgaben – so lautet das Urteil, das der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zwei Wochen vor der Wahl über die bildungspolitischen Programme der Parteien fällen.
„Alle Landtagsparteien messen der Bildungspolitik in NRW höchste Priorität zu“, erklärte der DGB-Bezirksvorsitzende Walter Haas gestern in Düsseldorf. Doch konkrete Konzepte, wie Veränderungen umgesetzt und finanziert werden sollen, seien in den Parteiprogrammen Mangelware. Das habe die Auswertung der Programme von SPD, CDU, Grünen und FDP ergeben. „Wahlversprechen ohne konkrete Umsetzungspläne und ohne verlässliche Finanzierung der Vorhaben sind Muster ohne Wert“, erklärt der GEW-Landeschef Andreas Meyer-Lauber. Er fordert statt dessen jährliche Bildungsberichte der Landesregierung, in denen die Entwicklung der Bildungssituation festgehalten wird.
Unterstützung bekommt der GEW-Chef von Franz Lehner, dem Präsidenten des Gelsenkirchener Instituts für Arbeit und Technik (IAT): „Ich hatte erwartet, dass die Parteien mal konkret werden.“ Statt dessen präsentierten sie die „sattsam bekannte Mischung aus Eigenlob, Gegnerkritik und vielen schönen Versprechen“, so Lehner. Er fordert von der Politik deshalb politische Entscheidungen, die sich am Ende der Legislaturperiode an Erfolgen und überprüfbaren Ergebnissen messen ließen. Ziel müsse es sein, bis zum Jahr 2010 wenigstens wieder dorthin zu kommen, wo der Durchschnitt der OECD-Länder heute schon sei, erklärte Lehner. Nur so könne das Land den Herausforderungen der wissensbasierten Volkswirtschaft genügen. „Wir brauchen möglichst viele kluge Köpfe – nicht nur an der Spitze und in den Forschungslabors“.
Auch der DGB fordert von der Politik, sich für die Gemeinschaftsschule nach skandinavischem Vorbild zu entscheiden. „Die Zeiten der Elitebildung durch Elitenförderung sind für uns vorbei.“ Der Gewerkschaftsbund beruft sich auf die Ergebnisse der Pisa-Studie, die den engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Lernerfolg in Deutschland belegt hatten. An die Adresse von CDU und FDP sagte Haas deshalb: „Die Ergebnisse widerlegen eine konservative Begabungsideologie, die Bildungschancen nach sozialer Herkunft verteilen möchte.“ Die Weiterentwicklung der Schulstruktur zu einer Gemeinschaftsschule ist deshalb eine Kernforderung der Gewerkschaft, da „Chancengleichheit und Spitzenleistung durch das gegliederte Schulsystem gleichermaßen behindert“ würden.
Die FDP wies die Kritik zurück. Ralf Witzel, der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, erklärte: „Anstelle eines unfruchtbaren, ideologischen Streits über Schulstrukturen steht dabei für uns eine Qualitätsoffensive im Vordergrund.“ Den GEW-Landesvorsitzenden Meyer-Lauber überzeugen die Pläne der Liberalen dennoch nicht: „Die FDP hat marktradikale Vorstellungen von unserem Schulsystem.“ ULLA JASPER