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Trumps Kehrtwende in der Ukraine-PolitikIn absoluter Bereitschaft

Beim EU-Außenministertreffen sichern auch die Niederlande und Dänemark zu, sich an Patriot-Systemen zu beteiligen – und die USA dafür zu bezahlen.

Immer prominent im Hintergrund bei der Patriot-Frage: Wer zahlt der Ukraine das Raketenabwehrsystem? Trump sagt: die Europäer Foto: Filip Singer/epa

Der Schwenk von US-Präsident Donald Trump in der Ukraine-Politik zeigt Wirkung: Nach Deutschland haben auch Dänemark und die Niederlande ihr Interesse am Kauf von US-Waffen für die Ukraine bekundet. Viele Details – von der Finanzierung bis zur Lieferung – müssen allerdings noch geklärt werden. Bis die Waffen in der Ukraine eintreffen, könnten noch Monate vergehen. Dänemark sei „absolut bereit“, sich an dem neuen, mit der Nato vereinbarten Liefer­programm zu beteiligen, sagte Außenminister Lars Rasmussen am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel. Sein niederländischer Kollege Caspar Veldkamp erklärte, sein Land prüfe, wie es sich „positiv“ einbringen könne.

Trump hatte nach einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte in Washington angekündigt, dass europäische Nato-Länder Waffen von den USA kaufen, die dann dann an die Ukraine weitergegeben werden sollen. Es handele sich um Militärgüter in Milliardenhöhe, die schnell auf dem Schlachtfeld verteilt werden sollen, sagte Trump.

Als eines des ersten Länder hatte Deutschland bekannt gegeben, dass es zwei Patriot-Systeme im Wert von zwei Milliarden Euro von den USA kaufen wolle, um sie an Kyjiw weiterzugeben. Neben Deutschland, den Niederlanden und Dänemark könnten sich auch noch Kanada, Norwegen, Schweden und Großbritannien beteiligen, sagte Rutte.

Sowohl für die Nato als auch für die EU stellt das Programm ein Novum dar. In der Nato war es bisher üblich, dass jedes Land für Waffenkäufe selbst aufkommt. Unter Präsident Joe Biden hatten die USA selbst Patriot-Systeme und andere Waffen an die Ukraine geliefert, ohne dass andere Alliierte zur Kasse gebeten wurden.

Rutte hat erst im Juni ein massives Aufrüstungsprogramm angekündigt. Demnach sollen alle Nato-Mitglieder ihre Rüstungsausgaben von derzeit 2 auf 5 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen, wobei 3,5 Prozent für „harte“ Waffenbeschaffung reserviert sind. Viele Länder wissen nicht, wie sie dies finanzieren sollen.

Die EU hat ein eigenes Aufrüstungsprogramm aufgelegt, das auch zur Beschaffung von Waffen für die Ukraine genutzt werden kann. Aber auch hier ist das Geld knapp. Der 150 Milliarden Euro schwere Plan mit dem Namen Safe soll durch gemeinsame Schulden finanziert werden. Das Geld wird dann als Darlehen an die EU-Länder weitergereicht.

Finanzierungsfragen und Lieferprobleme

Neben den finanziellen Sorgen gibt es auch Lieferprobleme – sogar in Deutschland. So erklärte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei seinem Besuch in Washington am Montag, dass Deutschland keine weiteren Patriot-Systeme aus eigenen Beständen an die Ukraine liefern könne, da sonst „Sicherheitslücken“ entstünden.

Zugleich bremste Pistorius die Hoffnungen auf eine schnelle Lieferung: „Ein Patriot-System, von dem wir heute sagen, dass es an die Ukraine ­gehen soll, braucht Monate, bis es ausgeliefert werden kann.“ Angesichts der jüngsten massiven Angriffe aus Russland kommen die meisten Lieferungen also wahrscheinlich sehr spät.

Verzögerungen gibt es auch bei den Sanktionen gegen Russland. Das 18. Sanktionspaket, das die EU bereits im Juni angekündigt hatte, war beim Treffen der Außenminister immer noch nicht in trockenen Tüchern. Nach der Slowakei hatte zuletzt auch Malta Einwände erhoben. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas verbreitete dennoch Optimismus.

„Wir sind sehr, sehr nahe dran“, sagte sie am Dienstag in Brüssel. Sie rechne mit einem Beschluss „heute oder morgen“. Es sei aber noch „einiges zu tun“. Der deutsche Europastaatsminister Gunther Krichbaum machte Druck: Dass man nun schon beim 18. Sanktionspaket sei zeige, „dass die übrigen 17 offensichtlich nicht die Wirkung entfaltet“ hätten, die „wir uns davon versprochen haben“.

Doch auch diesmal dürfte die Wirkung begrenzt sein. Denn die wichtigste Maßnahme – die Senkung des Preisdeckels für russisches Öl – wird von den USA nicht mitgetragen. Trump hat eine eigene Strafmaßnahme angekündigt: Wenn es in 50 Tagen keinen Frieden in der Ukraine gebe, würden die USA „Zölle in Höhe von etwa 100 Prozent“ verhängen.

Laut Trump handelt es sich um sogenannte Sekundärsanktionen. Sie sollen sich gegen Länder wie China, Indien und Brasilien richten, die weiter billiges Öl und Gas von Russland kaufen. Die EU hat solche Sanktionen, mit denen die Amerikaner auch schon einmal auf in Iran tätige deutsche Unternehmen zielten, bisher als illegal verurteilt.

Nun kann es nicht schnell genug gehen mit ebensolchen Sanktionen: 50 Tage seien „eine sehr lange Zeit“, beklagte Kallas. Dennoch sei es „sehr positiv“, dass Trump nunmehr eine harte Haltung gegenüber Russland einnehme. Die EU hatte lange versucht, Trump umzustimmen. Nun sieht sie sich fast am Ziel.

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1 Kommentar

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  • "Nun kann es nicht schnell genug gehen mit ebensolchen Sanktionen: 50 Tage seien „eine sehr lange Zeit“, beklagte Kallas"

    Nicht die EU sondern der EuGH hat in seinem Urteil (C-124/20) im Jahre 2021 festgehalten, dass Sekundärsanktionen nicht nur gegen das EU Blocking Verbot sondern auch gegen das Interventionsverbot gemäß Völkerrecht verstoßen.

    Warum es der EU jetzt nicht schnell genug gehen kann, gegen die Rechtssprechung des EuGH und gegen das Völkerrecht zu verstoßen wird wohl ihr Geheimnis bleiben.

    Es passt aber zur derzeitigen Kopflosigkeit der EU und in eine Zeit in der das Recht von den Staaten nicht mehr befolgt, sondern gemäß individueller Interessen nur noch gebraucht und damit oftmals auch missbraucht wird.

    Das ist ganz im Sinne der Autokraten dieser Welt und wird, wenn es permanent weiterbetrieben wird, zum beschleunigten Abbau von Rechtsstaatlichkeit führen.

    Das wiederum führt dann häufig dazu, dass man sich irgendwann gar nicht mehr so sehr von den Anderen unterscheiden wird. Beispiele hierfür gibt es in der Geschichte zu hauf.