: Ein kräftiges Jein
Enquetekommission „Zukunft für Berlin“ empfiehlt: Sparen und gezieltere Investitionen. Viele Minderheitsvoten
Richtig einig sind sie sich nicht geworden, die 19 Mitglieder der Enquetekommission „Eine Zukunft für Berlin“. Gestern stellten die Parlamentarier und Fachleute aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur den Abschlussbericht ihrer mehr als einjährigen Kommissionsarbeit vor. Über Fraktionsgrenzen hinweg gibt es jedoch auch einen Grundkonsens: Berlin muss weiter sparen und mehr in seine Zukunftsbranchen Wissenschaft, Medien, Bildung und Kultur investieren.
Auf 113 Seiten empfiehlt die Kommission etwa, 20.000 weitere Stellen im öffentlichen Dienst abzubauen. Auch bei der Wohnungsbauförderung und den Zuschüssen für die Landesbeteiligungen müsse das Land sparen, sagte die Kommissionsvorsitzende Sibyll Klotz (Grüne). Gleichzeitig warnte Klotz, die zugleich Vorsitzende der Grünenfraktion ist: „Ein weiteres ‚Sparen, bis es quietscht‘, würde die Stadt kaputtmachen.“ Bei den Einsparungen dürfe nicht das derzeitige „Rasenmäherprinzip“ gelten. Zugleich seien Investitionen in Wissenschaft und Bildung dringend notwenig.
Seit Februar 2004 hatten die Kommissionsmitglieder in 19 Sitzungen über den richtigen Weg der Stadt aus der Schuldenfalle gestritten. Für den gestern im Abgeordnetenhaus vorgestellten Abschlussbericht stimmten am Ende aber nur neun Parlamentarier und Experten. Neun Kommissionsmitglieder enthielten sich, unter anderem die Fraktionsvorsitzenden von SPD, CDU, PDS und FDP. In vielen Einzelpunkten gab es Minderheitenvoten über Fraktions- und Expertengruppen hinweg. Die CDU stimmte beispielsweise bei der Frage nach den nötigen Investitionen anders ab als die Kommissionsmehrheit.
Die Minderheitenvoten machten es bei der gestrigen Parlamentsdebatte jeder Fraktion möglich, einerseits die Arbeit der Kommission im Ganzen zu loben, aber die eigenen Vorbehalte aufrechtzuerhalten. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) etwa sieht seine Konsolidierungspolitik grundsätzlich bestätigt. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Nicolas Zimmer stemmte sich entschieden gegen den im Papier vorgeschlagenen Stellenabbau im öffentlichen Dienst: Beamte seien auch ein Standortfaktor für Berlin. Die PDS will nach den Worten ihres Fraktionsvorsitzenden Stefan Liebich nach wie vor keine weiteren Privatisierungen von landeseigenen Unternehmen in dieser Legislaturperiode.
Die Enquetekommission hatte im Februar 2004 ihre Arbeit aufgenommen, nachdem das Landesverfassungsgericht im Herbst 2003 den Berliner Haushalt für verfassungswidrig erklärt hatte. Die Opposition hatte dem Senat daraufhin die Einsetzung der Gruppe abgerungen. Sie sollte ein mittelfristiges Sanierungs- und Entwicklungskonzept für das mit mehr als 57 Milliarden Euro verschuldete Berlin erarbeiten. MATTHIAS LOHRE