: Lasst das Auto stehen!
betr.: „Lass den Bus sausen, fahr Auto!“, taz vom 3. 5. 05
Es ist richtig, dass „klassischer“ ÖPNV Probleme hat, disperse Siedlungsstrukturen adäquat zu bedienen. Aber darum gleich die Segel zu streichen und die Autoförderung zu propagieren, verkennt die negativen Effekte des Autoverkehrs auch im ländlichen Raum. Umwelt- und Unfallfolgen verbieten auch hier eine unkritische Autoförderung, wenn wir das Ziel der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes nicht ganz aus den Augen verlieren wollen.
Gerade im ländlichen Raum ist eine ausreichende Versorgung per ÖV nötig, da sich hier die Überalterung der Bevölkerung potenziert auswirken wird. Zwar wird der Führerscheinbesitz der kommenden Generationen von „Alten“ höher sein als aktuell, jedoch wird auch künftig immer mehr Menschen das Autofahren aus gesundheitlichen Gründen unmöglich werden. Auch geschehen gerade im ländlichen Raum immer wieder die sog. „Disko-Unfälle“, die die Bedeutung eines adäquaten ÖV auch für Jugendliche dramatisch vor Augen führen. Man kann darüber streiten, ob im Einzelfall jetzt Rufbusse, Linienbusse oder -bahnen das geeignetste Verkehrsmittel sind, die pauschale Absage an einen ÖV im ländlichen Raum ist jedoch nicht angebracht. CHRISTOPHER KLEINHEITZ, Trier
Bereits im Jahr 1989 habe ich eine „neue Form des Mitfahrens“ vorgestellt und selbst 14 Tage lang ausprobiert. Weil nichts geschah und die Verhältnisse auf den Straßen immer schlimmer wurden, haben wir (eine Gruppe Idealisten) 2001 den Verein unabhängiger Mitfahrer e.V. (VUM) gegründet. Der VUM propagiert ein System, das auf Solidarität aller Autofahrer beruht. Es kann nur von Personen genutzt werden, die ein Auto zugelassen haben. Wer an dem System teilnehmen möchte, kann jetzt über den VUM eine Plakette beziehen (Gültigkeit ein Jahr), die ihn als Besitzer eines zugelassenen Pkw ausweist. Wenn er die Plakette mit gelber Farbe erhält, kann er damit an „geraden Jahreswochen“ trampen. In den ungeraden Wochen, in welchen die blaue Plakette gilt, muss er seinen Pkw benutzen. Wenn also jemand am Straßenrand mit einer Plakette steht, dann weist er sich als Besitzer eines Pkws aus, der in dieser Woche bereit ist, auf sein Auto zu verzichten, um den Stau zu verringern und die Umwelt zu entlasten. Er hofft auf die Mitnahme von allen Autofahrern, die in seine Richtung fahren. Ein Umsteigen muss dabei in Kauf genommen werden, bis sich ein größerer Kreis von Pendlern mit gleichem Fahrziel gefunden hat. Näheres unter www.vum-online.de.
Bis jetzt im vierten Jahr des Bestehens von VUM hat sich die Zahl der Mitglieder nicht wesentlich erhöht. Ein Sponsor wurde auch nicht gefunden, obwohl alle die Idee toll finden. Vielleicht ist dieser Brief ein Anstoß? GÜNTER JARKOWSKI, Münster
„Es ist allein ‚ein Problem im Kopf‘, eben weil in der Verkehrspolitik lange die Doktrin galt, dass auch der ländliche Raum mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein muss. Taktfahrpläne und landesweite Bahnteilnetze sind das Ergebnis dieser Doktrin.“
So einen Unsinn habe ich (und wohl jeder, der sich ernsthaft mit Verkehrspolitik beschäftigt) ja noch nie gehört. Was ein „Bahnteilnetz“ sein soll, wird wohl für immer ein Geheimnis von Herrn Canzler bleiben, und Taktfahrpläne sind beim Busverkehr im ländlichen Raum Deutschlands praktisch unbekannt. Im Gegenteil, genau dort, wo es Taktfahrpläne mit mindestens stündlichen Taktintervallen gibt, wird der Regionalverkehr in aller Regel sehr gut angenommen. Taktfahrpläne sind also nicht Teil des beschriebenen Problems, sondern nachweisbar seine Lösung!
Besonders abenteuerlich wird es, wenn von „integrierten Fahrplänen“ geschrieben wird. Herr Canzler meint wohl den „integralen Taktfahrplan“. Das ist jenes System, das dafür sorgt, dass die Schweizer Weltmeister bei der Nutzung des öffentlichen Verkehrs sind. In Deutschland gibt es integrale Taktfahrpläne nur im Bahnverkehr in einigen Bundesländern, von einer Deutschland weiten Umsetzung, erst recht im ländlichen Raum, sind wir noch weit entfernt. Wie kann also ein bestimmtes System die Ursache für ein Problem sein, wenn das betreffende System noch gar nicht existiert?
Falsch ist auch die Behauptung, in der Schweiz würden Anrufsammeltaxen zur Anbindung abgelegener Bergdörfer genutzt. In der Schweiz haben selbst Bergdörfer mit 500 Einwohnern eine besser Anbindung an den fahrplanmäßigen (!) Regionalverkehr als manch deutsche Kleinstadt! Anrufsammeltaxen dienen dort eher im Alpenvorland zur flächenmäßigen Erschließung von zerstreut liegenden Dörfern am späten Abend oder am Wochenende. Sie sind im ländlichen Raum also höchstens eine Ergänzung des vorzüglichen Regionalverkehrs auf Schiene und Straße!
CHRISTOPH SATOR, Herxheim
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