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Archiv-Artikel

Justiz war unfair

von CHRISTIAN RATH

Das türkische Strafverfahren gegen PKK-Chef Abdulla Öcalan war unfair. Dies stellte gestern der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fest. Die mit 17 Richtern besetzte Große Kammer des Straßburger Gerichts bestätigte damit eine Entscheidung der dortigen ersten Instanz aus dem März 2003. Der Türkei wird empfohlen, den Prozess gegen Öcalan zu wiederholen. Eine Verpflichtung hierzu konnten die Richter nicht aussprechen.

Lucius Wildhaber, der Schweizer Präsident des Gerichtshofs, listete gestern eine ganze Reihe von Punkten auf, mit denen die Türkei gegen Fairness-Regeln verstoßen hat. So wurde Öcalan im Polizeigewahrsam befragt, ohne dass seine Anwälte dabei sein konnten. Gespräche mit den Anwälten waren in Zahl und Umfang beschränkt. Außerdem erhielten die Anwälte zu wenig Akteneinsicht. Alle Vorwürfe zusammengenommen, müsse der Prozess als „unfair“ beurteilt werden, so Wildhaber.

Vorgeworfen wurde der Türkei außerdem, dass Öcalan erst sieben Tage nach seiner Verhaftung einem Richter vorgeführt wurde und dass zu Beginn des Prozesses am Staatssicherheitsgericht in Ankara ein Militärrichter teilnahm.

Die zunächst gegen Öcalan verhängte Todesstrafe wurde der Türkei nur indirekt vorgeworfen. Denn zum einen hatte die Türkei das Zusatzprotokoll des Europarates, das die Todesstrafe verbietet, während des Öcalan-Prozesses noch gar nicht unterzeichnet. Zum anderen war Öcalans Strafe bereits 2002 in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt worden. Die Mehrheit der Straßburger Richter sah jedoch eine „unmenschliche Behandlung“ darin, dass Öcalan nach einem „ungesetzlichen“ Prozess drei Jahre lang befürchten musste, getötet zu werden.

In der Neuauflage des Straßburger Verfahrens galt das Hauptaugenmerk von Öcalans Anwälten den Haftbedingungen auf der Gefängnisinsel Imrali, deren einziger Gefangener Öcalan ist. Damit hatten die Anwälte jedoch keinen Erfolg. Öcalans Haftbedingungen seien nicht unmenschlich, wenn er ein Fernsehgerät bekommt und mit seiner Familie telefonieren darf, so die Richter.

Öcalan erhält keinen Schadensersatz; das Urteil sei an sich schon Genugtuung. Nur für die Kosten seiner Anwälte bekommt er120.000 Euro.