„Allergischen Marsch stoppen“

Aus unbehandeltem Heuschnupfen kann sich bei Kindern leicht Asthma entwickeln

„Bereits 15 Prozent der 7-Jährigen leiden an Heuschnupfen“, berichtet Verena Nau vom Dachverband PAAN (Patientenorganisationen Allergie, Atemwegs- und Lungenerkrankungen, Neurodermitis). Ursachen für die Zunahme sehen Experten in einer vermehrten Belastung der Luft, die Pollen verändert, in einer zu sterilen Umwelt der Kinder, der Zunahme von Stress und in Vererbung.

Bei Kleinkindern spielen Pollen als Allergieauslöser noch keine Rolle, wohl aber andere Stoffe wie Tierhaare und Nahrungsmittel. Ab dem 2. Lebensjahr steigt die Häufigkeit von Heuschnupfen aber kontinuierlich an. Eine Pollenallergie kann Lebensqualität und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Schnupfen, Niesattacken, juckende und tränende Augen schränken die Konzentration in der Schule deutlich ein, belegen Studien. Zudem reagieren kleine Allergiker meist sehr gefühlsbetont auf schwere Symptome und leiden darunter, nicht wie andere Kinder uneingeschränkt draußen toben zu dürfen.

Es kann aber noch schlimmer kommen: Bleibt Heuschnupfen unbehandelt, besteht nämlich die Gefahr, das die Beschwerden eine Etage tiefer in die Bronchien wandern und chronisches Asthma entsteht. Deshalb sei es wichtig, frühzeitig zum Arzt zu gehen, betont Ulrich Wahn, Direktor der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie an der Berliner Charité. „Nur durch regelmäßige Kontrolle und Behandlung kann der so genannte allergische Marsch verhindert werden.“

Leichter Heuschnupfen lässt sich mit antiallergischen Nasensprays und Augentropfen lindern, bei schweren Symptomen sind andere Medikamente angezeigt – so genannte Antihistaminika. Sie blockieren die Wirkung des Botenstoffs Histamin, den der Körper bei einem Allergieschub vermehrt ausschüttet. „Frühere Medikamente hatten viele Nachteile, von denen die müdemachende Wirkung noch die harmloseste war“, urteilt Wahn. „Doch die heutige Generation von Antihistaminika macht nicht mehr müde.“

Ein Manko ist allerdings, dass viele Allergiemittel nicht für Kinder zugelassen sind. Jede Behandlung mit Medikamenten für Erwachsene gleicht daher einem Experiment. Seit kurzem jedoch gibt es für Kinder ab zwei Jahre den Wirkstoff Levocetirizin. Wahn: „Levocetirizin bekämpft schnell und zuverlässig allergische Entzündungen und Schwellungen der oberen Atemwege.“ Die Substanz habe den weiteren Vorteil, dass sie praktisch nicht über die Leber abgebaut, sondern auf natürlichem Wege ausgeschieden werde. Eine gleichzeitige Einnahme mit anderen Arzneimitteln sei daher unbedenklich. Levocetirizin kann bei Pollenallergie und damit verbundenem Augenjucken, allergischer Bindehautentzündung und Hautreaktionen eingesetzt werden.

Das Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin hat die Wirksamkeit von Levocetirizin getestet. Dafür setzten die Wissenschaftler ein neues Verfahren ein: die Thermografie. Schüttet der Körper Histamin aus, entsteht nämlich nach einiger Zeit Wärme, die eine Infrarotkamera sichtbar machen kann. „Bei Levocetirizin blieb die Nase deutlich kälter als bei einem Placebo und dem Wirkstoff Desloratadin. Fast genauso kühl wie vor der Reizung mit Histamin“, erklärt Norbert Krug, Leiter der Allergologie des Fraunhofer-Instituts in Hannover.

Um Heuschnupfen wieder loszuwerden, besteht bei Kindern ab etwa acht Jahren die Möglichkeit einer Hyposensibilisierung. Dabei spritzt ein Arzt die Wirkstoffe der Pollen unter die Haut – in regelmäßigen Abständen und steigender Dosis. So soll das Immunsystem lernen, auf Pollen nicht mehr überzureagieren. Die Behandlung dauert zwar mindestens drei Jahre, ist aber bei 90 Prozent der Patienten erfolgreich. MARTINA JANNING