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das portraitDer Rapper Mo Chara ist wegen Terrorunterstützung angeklagt

Foto: pa/pa wire/dpa

Mo Chara bedeutet „mein Freund“ auf Irisch. Viele Freunde hat Liam Óg Ó hAnnaidh, wie er mit richtigem Namen heißt, zumindest beim britischen Establishment aber nicht. Am Mittwoch wurde er in England angeklagt, weil er bei einem Konzert seiner Band Kneecap in London eine Hisbollah-Flagge gezeigt haben soll. Da die Schiitenmiliz aus dem Libanon in Großbritannien als Terrororganisation eingestuft ist, wirft man Mo Chara Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor.

Einen Tag später gab Kneecap ein spontanes Konzert im 100 Club im Zentrum Londons. Knee cap bedeutet Kniescheibe, aber auch Knieschuss – eine beliebte Bestrafungsaktion der paramilitärischen Organisationen Nordirlands. Das Konzert war innerhalb von 90 Sekunden ausverkauft, 2.000 Menschen standen auf der Warteliste. Mo Chara kam mit Klebeband über dem Mund auf die Bühne. „14.000 Babys verhungern derzeit in Gaza“, sagte er, „während die von der Welt gesendeten Lebensmittel auf der anderen Seite der Mauer stehen, und wieder einmal konzentriert sich das britische Establishment auf uns. Dies ist ein Karneval der Ablenkung. Anstatt unschuldige Menschen oder die Grundsätze des Völkerrechts zu verteidigen, haben die Mächtigen in Großbritannien dem Abschlachten und der Hungersnot in Gaza Vorschub geleistet, so wie sie es jahrhundertelang in Irland getan haben.“

Mo Chara wurde 1997 in Belfast geboren. Er hat die Hip-Hop-Gruppe Kneecap 2017 zusammen mit Naoise Ó Cairealláin (Móglaí Bap) und JJ Ó Dochartaigh (DJ Próvaí) gegründet. Das Trio rappt vorwiegend auf Irisch, in den Texten geht es um die irische Sprache, Antikolonialismus, Arbeiterjugendkultur in Belfast sowie um die republikanische Bewegung, wobei die Irisch-Republikanische Armee (IRA) durchaus nicht nur positiv wegkommt.

Zu Beginn dieses Jahres schien Kneecap zunächst etwas zahm geworden zu sein. Ihr gleichnamiger Film, ein lärmendes, halbfik­tio­nales Biopic unter der Regie von Rich Peppiatt, gewann beim renommierten British Academy Film Award (Bafta) die Auszeichnung für da herausragendste britische Debüt, während der Versuch der jetzigen Tory-Chefin Kemi Badenoch, einen von der British Phonographic Industry gewährten Zuschuss zu blockieren, vor Gericht abgelehnt wurde. Aber Kneecap waren nicht zahm geworden. Auf der Bühne des Coachella-Festivals in Kalifornien beschuldigte die Band Israel im April des Völkermords. Fox News forderte den Entzug ihrer Visa, und es gab Morddrohungen. Die britische Presse durchforstete alte Videos und fand Clips vom November 2023, die problematische Äußerungen enthielten. „Hoch die Hamas, hoch die Hisbollah“, „Der einzige gute Tory ist ein toter Tory. Tötet euren lokalen Abgeordneten“.

Brendan Cox, der Ehemann der Labour-Abgeordneten Jo Cox, und Katie Amess, die Tochter des konservativen Abgeordneten David Amess, die beide ermordet wurden, kritisierten die Kommentare des Trios. In einer Erklärung teilte die Band mit: „Wir möchten uns bei den Familien Amess und Cox entschuldigen. Wir hatten nie die Absicht, Sie zu verletzen.“ Der Clip sei aus dem Zusammenhang gerissen worden. Mehrere Auftritte der Gruppe wurden abgesagt, darunter in Köln, Berlin und Hamburg.

Mo Chara glaubt, dass die Anzeige zum jetzigen Zeitpunkt ein Ziel verfolgt: ihn vom A­uftritt beim Glastonbury-Festival Ende Juni abzuhalten, seit 1970 eins der wichtigsten ­Musikfestivals weltweit. Am 18. Juni muss er vor dem Westminster Magistrates’ Court erscheinen. Ralf Sotscheck, Dublin

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