US-Bürger gegen Freihandelszone

Bauern und Gewerkschaften wollen keinen gemeinsamen Markt mit Zentralamerika. Dennoch versuchen dortige Präsidenten, dem US-Kongress Zustimmung abzuringen

BERLIN taz ■ In Washington traten sich diese Woche die Staatschefs aus Zentralamerika geradezu auf die Füße. Sechs von ihnen – darunter die Präsidenten von Costa Rica, Nicaragua und Guatemala – sind angereist, um sich höchstpersönlich als Lobbyisten im US-Kongress zu betätigen. Am Donnerstagabend wurden sie von ihrem Amtskollegen George Bush empfangen. Ihr gemeinsames Ziel: den US-Kongress zur Zustimmung zu einer mittelamerikanischen Freihandelszone (Cafta) zu bewegen. Durch den Cafta-Vertrag würden Zölle und andere Handelsbarrieren radikal abgebaut.

Aber auch US-Lobbyisten sind ausgeschwärmt. Die Gewerkschaften fürchten noch heftigere Arbeitsplatzverlagerungen gen Süden. Kein Freihandelsabkommen ohne soziale Mindeststandards, lautet ihre Forderung. Der Vorsitzende des Informationstechnologie-Verbands, Marcus Courtney, schimpft: „Hightechjobs wandern ab, während die Cafta keine nennenswerten neuen Absatzmärkte für uns bringt.“ Die mächtige Lobby der Zucker produzierenden Landwirte wiederum kämpft um den Erhalt der Subventionen und hohen Zollmauern, ohne die ihr Mais- und Rübenzucker gegen den Rohrzucker aus dem Süden chancenlos wäre.

Viele demokratische Abgeordnete wollen aus wahltaktischen Gründen die Gewerkschaften keinesfalls gegen sich aufbringen. Viele Republikaner haben aus demselben Grund ein offenes Ohr für die Farmer. Wenige Wochen vor der entscheidenden Abstimmung ist somit eine Mehrheit im Kongress für die Einrichtung einer neuen Freihandelszone sehr zweifelhaft.

Die Bush-Regierung wirbt damit, dass sich durch die Cafta ein Markt für US-Waren und Dienstleistungen, etwa bei Telekommunikation oder Wasserversorgung, im Umfang von 15 Milliarden Dollar pro Jahr öffnen würde. Kritiker verweisen aber auf die auch für die USA mitnichten nur positiven Erfahrungen mit der vor zehn Jahren in Kraft getretenen Nafta. So klaffen in der US-Handelsbilanz immer größere Defizite gegenüber den Nafta-Partnern Mexiko und Kanada. Das Economic Policy Institute (EPI) in Washington schätzt die Zahl der US-Jobs, die durch die Nafta vernichtet wurden, auf 800.000. Dazu kommt ein Effekt, der auch deutschen Arbeitnehmern seit der EU-Osterweiterung bekannt sein dürfte. EPI-Volkswirt Robert Scott nennt ihn Droheffekt: „Auf jede Fabrik, die tatsächlich nach Süden zieht, kommen drei oder vier, die ihren Arbeitern damit drohen, wenn diese nicht zu Konzessionen bei Löhnen oder Arbeitsbedingungen bereit sind.“

Und auch wenn sich die meist ebenso unternehmer- wie USA-freundlichen Regierungen Mittelamerikas ein Freihandelsabkommen herbeiwünschen, so ist doch zweifelhaft, ob es der dortigen Bevölkerungsmehrheit Nutzen bringen würde. Die Erfahrungen der Mexikaner mit der Nafta jedenfalls sind bestenfalls gemischt. Die Carnegie-Stiftung kam in einer Studie zu dem Schluss, dass den 500.000 zusätzlichen Jobs, die im verarbeitenden Gewerbe entstanden, Verluste von 1,3 Millionen Jobs in der Landwirtschaft gegenüberstanden. Die mittelamerikanischen Bauern haben gegen die industrialisierten und hoch subventionierten Farmen der USA keine Chance.

In Guatemala war es daher im März schon zu anhaltenden scharfen Protesten gekommen, als das Parlament den Cafta-Vertrag ratifizierte. NICOLA LIEBERT