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Wahlen in Rumänien, Portugal und PolenEuropäische Linke in der Zwickmühle

Leon Holly
Kommentar von Leon Holly

Nach den Wahlen in Rumänien, Portugal und Polen: Um Rechtsradikale zu verhindern, müssen Linke Konservative stützen. Das verwässert jedoch das Profil.

Am Wahlabend in Rumänien Foto: Andreea Alexandru/ap

D er Wahlsonntag in Europa hat unter Linken für gemischte Reaktionen gesorgt. Bei der Stichwahl um die Präsidentschaft in Rumänien: Erleichterung, dass der liberalkonservative Nicușor Dan knapp vor dem rechtsradikalen George Simion gewinnt. In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Polen: ein kurzes Aufatmen, dass der konservative Rafał Trzaskowski zumindest vor Karol Nawrocki von der PiS liegt, gleich gefolgt von der Sorge, dass im zweiten Wahlgang die Rechten doch die meisten Stimmen einsammeln könnten.

Und in Portugal: Ernüchterung ob der Verluste der Sozialisten und der deutlichen Zugewinne der rechts­extremen Chega. In all diesen Wahlergebnissen zeigt sich die Schwäche der Linken. Bei den Präsidentschaftswahlen in Polen und Rumänien spielen sie keine nennenswerte Rolle. Das linke Wahlvolk in Polen muss deshalb tun, was in Rumänien gerade so geklappt hat: Es muss in der zweiten Runde für den liberalkonservativen Kandidaten stimmen, in der Hoffnung, so zumindest einen Sieg der Nationalpopulisten zu verhindern.

Die Linken stecken in der Zwickmühle. Einerseits müssen sie sich von den Konservativen und den Parteien der Mitte abgrenzen und eine eigene Politikvision entwickeln. Andererseits haben sie kein Interesse an instabilen Verhältnissen, von denen am Ende womöglich die Feinde der Demokratie profitieren. In Portugal bleibt den Sozialisten deshalb wenig übrig, als die Konservativen unter Ministerpräsident Luís Montenegro erneut zu tolerieren, in der Erwartung, dass diese die Brandmauer zur Chega aufrechterhalten.

In Polen dagegen blicken die zwei kleineren linken Parteien unterschiedlich auf die Frage der Regierungsbeteiligung. Während die Partia Razem in der Opposition sitzt, ist die Lewica Teil der Regierungskoalition von Donald Tusk. Um sich gegen den Vorwurf zu wehren, man sei nur Mehrheitsbeschaffer, hatte die Lewica-Präsidentschaftskandidatin Magdalena Biejat im Wahlkampf auf ihre Erfolge verwiesen: die Erhöhung der Witwenrente oder ein Pilotprogramm zur Verkürzung der Arbeitszeit. So kann die Linke ihre Teilhabe an der Regierung nutzen, um wenigstens ein bisschen progressive Politik zu machen.

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Das ist besser als in Großbritannien, wo Labour-Premierminister Keir Starmer es genau andersrum macht: Er schwenkt nach rechts. Getrieben von den Wahlerfolgen der rechten Reform UK kündigte Starmer eine harte Migrations- und Ein­bürgerungspolitik an. Damit läuft er Gefahr, die Argumente von Reform UK zu bestätigen – und am Ende nicht nur die Macht, sondern auch das inhaltliche Profil zu verlieren.

Wo die extreme Rechte auf dem Stimmzettel steht, müssen Linke den Gegenkandidaten wählen. Wo sich Räume öffnen, müssen sie mitgestalten. Aber nicht um jeden Preis.

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Leon Holly
Jahrgang 1996, studierte Politik und Nordamerikastudien in Berlin und Paris. Von 2023 bis 2024 Volontär der taz Panter Stiftung. Schreibt über internationale Politik, Kultur, und was ihn sonst so interessiert.
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