: Reklamevideos für die Truppe
Die Bundeswehr verstärkt ihre Präsenz in den sozialen Medien. Nicht nur offizielle Kanäle werben für eine Karriere in der Armee

Von Martin Seng
Der Panzer schießt, die Erde vibriert. Am Horizont explodiert das Geschoss, die Deutschlandflagge weht, Waffen werden vom Panzer aus abgefeuert und nachgeladen. Vermummte Soldaten laufen in Zeitlupe durch den Schnee, tanzen auf dem Panzer, spielen „Schere, Stein, Papier“ und zeigen sich mit Schrotflinte und Maschinenpistole der Kamera. Hunderte solcher Videos gibt es in sozialen Medien, die Botschaft ist klar: In der Bundeswehr ist die Stimmung zwischen Fingerpistolen, doppelter Bizepspose und Luftgitarre bestens.
Was nach Werbevideos für die Bundeswehr klingt, wirft bei genauerem Hinschauen jedoch Fragen auf. Denn die Videos sind offiziell nicht von der Bundeswehr. Gepostet werden sie von Leuten wie dem Panzerkommandanten Josh Krebs alias Cinematic Sergeant, der als Privatperson in den sozialen Medien auftritt.
Auf Tiktok folgen ihm mehr als 430.000 Accounts, auch bei Instagram und Youtube sind es um die 20.000. Fast täglich postet er aufwendig produzierte Videos über Nahkampf, den Leopard-Panzer oder Munititionskunde. Die Bundeswehr bewirbt er eindeutig und ruft aktiv zu einer Karriere in ihr auf, doch seine Kanäle tragen gleichzeitig die Beschreibung „nicht offiziell“.
Krebs hat keinen direkten Werbeauftrag der Bundeswehr. Auf Anfrage der taz sagt eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums, dass Soldat:innen weder Dienstzeit für die Erstellung von privatem Content verwenden noch Inhalte außerhalb des Dienstablaufes abbilden dürfen. Für seine Videos nutzt Cinematic Sergeant dennoch die Infrastruktur und Ressourcen der Armee und rekrutiert aktiv für sie.
Neben aktiven Soldat:innen machen auch ehemalige Werbung für die Truppe. So auch Ottogerd Karasch, besser bekannt unter seinem Influencernamen Otto Bulletproof. Seine Formate sind auf Survivaltraining und sportliche Herausforderungen ausgelegt. Gleichzeitig interviewt er zahlreiche Leute aus der Bundeswehr.
Die Verbindung seiner Formate zur Armee kommuniziert Karasch – wenn überhaupt – nur spärlich. Auf Anfrage der taz bestätigt eine Pressesprecherin des Verteidigungsministeriums, dass es zwischen ihm und der Truppe für verschiedene Medienprojekte eine offizielle Zusammenarbeit gibt. So begleitet Karasch in actionreichen Videos „im Zuge einer Langzeitbegleitung angehender Kommandosoldatinnen und Kommandosoldaten beim Kommando Spezialkräfte verschiedene Auswahl- und Ausbildungsabschnitte“, so die Sprecherin.
Ob es offizielle, nichtoffizielle, direkte oder indirekte Kanäle sind, der Einfluss der Bundeswehr auf die sozialen Medien und damit auch die Welt der Influencertums breitet sich spürbar aus, auch mit Serienformaten wie „Explorers“, „Embedded“ und „Nachgefragt“. Auch wenn die Bundeswehr nichtoffizielle Inhalte nicht als solche kennzeichnen muss: Die Vermittlung dieses sympathischen, romantisierenden Bilds und des Spiel-Spaß-und-Abenteuer-Gefühls bei der Armee ist eine indirekte Werbung für den Dienst an der Waffe.
Mit der Realität eines Kriegseinsatzes haben die Videos wenig zu tun. Dem Ernstfall eines blutigen Kriegs, der Tötungen und den Verlust Tausender Menschenleben bedeuten kann, bleiben die Videos so fern wie möglich. Man möchte ja keine potenziellen Rekrut:innen verschrecken.
Nicht beleuchtet werden in den Serien und Videos außerdem die anhaltenden rechtsextremen Fälle in der Bundeswehr. Dem Jahresbericht des Verteidigungsministeriums zufolge gab es allein im Jahr 2023 916 rechtsextreme Verdachtsfälle. Laut der Sprecherin des Verteidigungsministeriums seien diese mit den jährlichen Berichten ausreichend transparent aufgearbeitet.
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