Sportler im Ukrainekrieg: Trauer und Protest
Fast 600 ukrainische Sportler wurden im russischen Angriffskrieg getötet. Fifa und IOC arbeiten dennoch an der Rückkehr Russlands in den Weltsport.
Zur Trauerfeier in der Kathedrale von Luzk fanden sich unzählige Bekannte und Sportler ein. Gawriljuk arbeitete mit vielen von ihnen als Lauf- und Triathlontrainer. An seinem Geburtstag veranstalteten Freunde im größten Park von Luzk einen Wohltätigkeitslauf zu seinem Gedenken. Dann wurde in einem Stadion in Luzk ein Wandgemälde zu seinen Ehren angebracht.
Gawriljuk ist einer von fast 600 ukrainischen Sportlern, die von den russischen Aggressoren getötet wurden. Er ist auch nicht der einzige Sportler aus Luzk, der an der Front sein Leben verloren hat. Im November 2023 starb Roman Godowanyj, ein ehemaliger Verteidiger des FC Volyn in der ukrainischen Premier Liga, nach einer Granatenexplosion. Er spielte auf der rechten Abwehrseite, links verteidigte Roman Maximjuk. Der war ein erfahrener Kicker, der bei Dnipro und um die Jahrtausendwende in Russland bei Zenit St. Petersburg gespielt hat. 2022 hat der ehemalige Nationalspieler seine Karriere in Luzk beendet, um in den Krieg zu ziehen. Im Februar wurde bekannt, dass Maximjuk an der Front vermisst wird.
Bis März 2025 sind genau 591 Sportler und Trainer von der russischen Armee getötet worden. 22 befinden sich in Gefangenschaft und 11 werden vermisst. 725 Sportanlagen wurden durch russische Angriffe beschädigt oder zerstört, darunter 17 Trainingsstützpunkte. Diese Zahlen veröffentlichte das ukrainische Außenministerium auf X und verwies darauf, wie Russland den Sport für Propagandazwecke missbraucht. So sollen 10 der 15 russischen Athleten, die bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris unter neutraler Flagge antraten, entweder öffentlich den Krieg unterstützen oder mit dem Militär in Verbindung stehen.
Olympische Chancen für Russland
„Russland hat im internationalen Sport keinen Platz, solange es seine Gräueltaten gegen die Ukraine nicht einstellt“, erklärte das Außenministerium. Diese Stellungnahme erfolgte kurz nach der Wahl von Kirsty Coventry am 20. März zur neuen Präsidentin des Internationalen Olympischen Komitees. Coventry hatte im März angekündigt, Gespräche über eine mögliche Rückkehr Russlands zu den Olympischen Spielen aufzunehmen: „Ich würde gern eine Arbeitsgruppe einrichten, die versuchen soll, einige Strategien und Leitlinien zu erarbeiten, die der olympischen Bewegung als Entscheidungshilfe dienen können, wenn wir in Konflikte hineingezogen werden.“
Gianni Infantino, der Präsident des Internationalen Fußballverbands Fifa, äußerte sich ähnlich. Während des Kongresses der Europäischen Fußballunion Uefa im April in Belgrad sprach er über die Rückkehr Russlands in den internationalen Fußball. „Ich hoffe, dass wir bald ein neues Kapitel aufschlagen und Russland wieder in die Fußballlandschaft integrieren können. Dafür müssen wir beten, denn Fußball bedeutet nicht Spaltung, sondern Einheit“, sagte der Fifa-Boss und löste damit in der Ukraine einen Sturm der Entrüstung aus.
Noch dazu gedachte die Uefa bei ihrem Kongress bei der Ehrung großer Fußballpersönlichkeiten, die im Jahr 2024 verstorben sind, auch dem Russen Alexej Bugajev, der an der Front in der Ukraine gestorben ist. In der Hoffnung auf Straferlass war er wie Zehntausende andere Straftäter der russischen Besatzungsarmee beigetreten.
Das kam in der Ukraine ebenso schlecht an wie die Weigerung des Verbands, der 35 Einwohner von Sumy zu gedenken, die am 13. April bei einem russischen Raketenangriff getötet wurden. Am 15. April bestritt die ukrainische Futsal-Mannschaft im polnischen Koszalin gegen Rumänien ihr letzte Qualifikationsspiel zur EM. Die Ukraine, WM-Dritte 2024, gewann 3:1 und qualifizierte sich für die EM, doch für Gesprächsstoff sorgte die Schweigeminute, die das ukrainische Team in Absprache mit dem Team Rumäniens nach dem Anstoß dann doch abgehalten hat.
Um mögliche Sanktionen zu vermeiden, ehrten die Mannschaften das Andenken der während des Spiels Getöteten. Einen Tag danach zerstörte die russische Armee die Eisarena von Cherson mit vier Fliegerbomben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!