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Archiv-Artikel

Zu alt fürs Ehrenamt

DISKRIMINIERUNG Weil er 60 Jahre alt ist, darf ein Hamburger nicht mehr bei der Freiwilligen Feuerwehr arbeiten. Mit der Klage gegen die Innenbehörde betritt er juristisches Neuland

Gleichstellung in Deutschland

■ Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vom 17. August 2006 setzt vier EU-Richtlinien gegen Diskriminierung in deutsches Recht um.

■ Verhindern soll das Gesetz die Benachteiligung aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität.

■ Anwendung findet es unter anderem bei Einstellungs- und Arbeitsbedingungen sowie bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen.

■ Nicht gültig ist das Gesetz für ehrenamtliche Tätigkeiten.

VON JANIS DIETZ

Viele Arbeitnehmer freuen sich, wenn sie die Rentengrenze erreicht haben. Gerade in körperlich anstrengenden Berufen ist eine Verlängerung der Arbeitszeit eine harte Belastung. Bei Rüdiger Dau ist das etwas anders: Er würde gerne ehrenamtlich weiterarbeiten, darf aber nicht. „Ich fühle mich rüstig, fit und einsatztauglich“, so der freiwillige Feuerwehrmann aus dem Hamburger Stadtteil Nienstedten. Trotzdem darf er seit seinem 60. Geburtstag im Januar 2012 nicht mehr löschen und retten.

Diese Altersgrenze ist in Paragraf 13 des Hamburger Feuerwehrgesetzes festgelegt und gilt für die Freiwilligen Feuerwehren des Bundeslandes. Die Befürchtung: ein über 60-jähriger könne den Anforderungen des „aktiven Feuerwehrdienstes“ nicht mehr gerecht werden. Dagegen klagt Dau jetzt in einem Eilverfahren vor dem Hamburger Oberverwaltungsgericht. Er fühlt sich diskriminiert aufgrund seines Alters.

Ein ähnlicher Fall wurde im vergangenen September vor dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) verhandelt. Zwei Piloten hatten gegen die Lufthansa geklagt, weil ihre Beschäftigung laut Tarifvertrag mit dem 60. Lebensjahr endete. Die beiden Piloten sahen darin eine Diskriminierung und bekamen Recht.

Die Lufthansa hatte mit der Sicherheit der Fluggäste argumentiert. Diese Sicherheit könne ein Pilot auch bis zum 65. Lebensjahr gewährleisten, entschied der EUGH. Das gilt nach einer internationalen Regelung aber nur, wenn die anderen Mitglieder der Besatzung jünger als 60 Jahre sind.

Grundlage für die Entscheidung des EUGH ist eine Richtlinie des Europäischen Rates aus dem Jahr 2000. Darin wird Diskriminierung aufgrund von Alter, sexueller Ausrichtung, Behinderung und Weltanschauung verboten. Seit 2007 ist diese Richtlinie durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auch in Deutschland rechtskräftig.

Ein Sprecher der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sieht in der Entscheidung zugunsten der Piloten ein positives Zeichen, „weil sie zeigt, dass Altersgrenzen nicht mehr zeitgemäß sind“. Die Antidiskriminierungsstelle hat zu diesem Thema eine Komission eingerichtet, die zum Ende des Jahres Vorschläge für weitere gesetzliche Nachbesserungen gegen Altersdiskriminierung machen soll.

Nachbesserungen, die Rüdiger Dau wohl wenig nutzen werden, denn das Gleichbehandlungsgesetz gilt für Erwerbsarbeit – nicht aber für ehrenamtliche Tätigkeiten. Insofern betritt Dau mit seiner Klage juristisches Neuland. Einen Kompromiss wie im Falle der Piloten kann sich die Freiwillige Feuerwehr Hamburg nicht vorstellen. „Wir setzen auf den kompletten Feuerwehrmann“, sagt Andreas Neven von der Geschäftsstelle der Freiwilligen Feuerwehren in Hamburg. Eine Aufgabenteilung zwischen älteren und jüngeren Kollegen sei in der Praxis schwer umzusetzen.

Die Freiwillige Feuerwehr startete bereits 2002 eine Initiative, die Regelarbeitszeit auf 63 anzuheben. Bisher hat der Dienstherr, die Behörde für Inneres und Sport, diesen Wunsch nicht erhört. In vielen anderen Bundesländern wurde das Gesetz in den vergangenen Jahren reformiert. So dürfen Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren in Schleswig-Holstein seit einigen Jahren auf eigenen Wunsch bis zum Ende des 67. Lebensjahres Dienst tun.

Nun soll das Hamburger Oberverwaltungsgericht entscheiden, ob ein 60-Jähriger einen Brand genauso gut löschen kann wie jüngere Kollegen. Mit einer Entscheidung rechnet Rüdiger Dau bis Mitte April. Sein Anwalt ist Till Steffen, bis 2010 grüner Justizsenator der Hansestadt.

Wenn das Oberverwaltungsgericht seiner Klage nicht statt gibt, möchte Dau in die nächste Instanz gehen, das wäre das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dass es das wert ist, ist er sich sicher: „Die Feuerwehr gehört zu meinem Leben.“