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Wenn sieben Stunden Jahrzehnte ausstechen

An Ostern in die R1 von Boizenburg nach Hamburg zu steigen, war kein Hit. Schon als der Zug einfuhr schrien zwei Sicherheitsleute von der Lok aus den Bahnsteigs runter: „Halt! Keine Fahrräder! Keine Fahrräder!“ Wer einstieg, wusste warum: Es war stickend voll. Nur mühsam ergatterten wir einen Stehplatz im unteren Stock eines Waggons. Auf allen Plätzen sitzen junge Leute.

In Schwanheide wird ein Sitz frei. Sofort plumpst ein junger Mann mit Anglerhut drauf, der schon länger mitfährt und ältere Rechte zu haben glaubt. Nur mein Knie schmerzt und es sind noch 37 Minuten bis Hamburg. Nächste Station Büchen. Nun steigt ein echt alter Mann zu. Auch der peilt kurz die Lage und gesellt sich resigniert zu den Stehenden. Da löst sich meine Zunge: „Möchte einer der jüngeren Fahrgästen dem älteren Herrn seinen Platz anbieten?“ Einer der Sitzenden reagiert schnippisch: „Wie weit fährt er denn noch? Ich muss noch sieben Stunden fahren.“ Peinliche Stille.

Büchen

6.741 Ein-wohner*innen,

liegt an der 1846 gebauten Eisenbahnlinie zwischen Hamburg und Berlin. Weil der Ort ebenso an der Bahnstrecke zwischen Lübeck und Lüneburg liegt, steigen hier täglich rund 5.000 Fahrgäste ein und aus.

Dann erhebt sich der Junge mit dem Hut und macht Platz. Der findet das erst nicht nötig, nimmt das aber erleichtert an. Als er sitzt, holt er einen alten Comic aus der Tasche und freut sich über die Witze. Kaija Kutter

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