: Rassismus raus aus den Polizeihelmen
Rassismusvorwürfe gegen die Polizei: Die daran anschließenden Forderungen unterscheiden sich je nach Perspektive erheblich
„Ich kenne viele Polizist:innen mit Migrationshintergrund, die an ihrem eigenen Beruf zweifeln, weil sie dazu angehalten werden, benachteiligte Gruppen zu stigmatisieren – also Racial Profiling zu betreiben“, sagt Mohamed Amjahid, freier Investigativjournalist und Autor des Buches „Alles nur Einzelfälle? Das System hinter der Polizeigewalt“.
Patricia Nubi ist selbst Polizistin mit Migrationsgeschichte und engagiert sich als Vorständin der Frauengruppe der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen. Für sie ist die Polizei wie eine Familie – doch auch sie erkennt Probleme, schließlich existiere Rassismus in unserer Gesellschaft und somit natürlich auch bei der Polizei. Umso wichtiger sei es, sich damit auseinanderzusetzen. „Sich mit Rassismus zu beschäftigen, bedeutet nicht, dass man Probleme bekommt – sondern dass man sie bewusst wahrnimmt“, ist sie überzeugt.
Auch Jan-Denis Wulff, Grünen-Politiker und Kriminalkommissar beim Bundeskriminalamt (BKA) bestreitet nicht, dass es im Polizeialltag zu Racial Profiling kommt. Doch er sieht die Ursachen anders gelagert: Verdachtsunabhängige Kontrollen aufgrund äußerer Merkmale entstünden nicht zwangsläufig, weil Polizist:innen rassistisch sind. Vielmehr seien sie oft die Folge mangelhafter Ausstattung, denn die Sicherheitsbehörden wurden kaputt gespart. Er erklärt: „Wenn ich auf einer Veranstaltung mit zu wenigen Kräften bin und unter Stress nur eine Handvoll der Besucher kontrollieren kann, verfällt man leichter in rassistische Muster.“
Amjahid hingegen spricht von einem strukturellen Problem. „Das ist größer als der einzelne Polizist. Alle wissen, dass dieser eine Kollege rechtsradikales, neonazistisches Gedankengut mitbringt – und niemand sagt etwas.“ Darüber hinaus hat die Polizei für ihn ein Männlichkeitsproblem: „Das liegt an der Uniform und weil der Job viel Autorität verlangt. Es braucht da dieses breitbeinige Auftreten.“ Er plädiert für einen erweiterten Sicherheitsbegriff: „Indem wir Fürsorge auch als Sicherheit begreifen, können wir davon wegkommen, dass die Polizei als Lösung für alle gesellschaftlichen Probleme herhalten muss.“
Wulff jedoch verteidigt die Institution Polizei grundsätzlich: „Wir haben eine sehr rechtschaffene Polizei. Das würde ich immer vertreten.“ Gleichzeitig betont er, auch innerhalb der Polizei für andere Perspektiven einzustehen – und sich als Politiker bewusst von jenen Gewerkschaftsvertretern abzugrenzen, die ausschließlich konservative Positionen vertreten.
Ob innerhalb der Behörde oder bei Kontrollen auf der Straße – Rassismus in der Polizei bleibt ein drängendes Thema. Als Exekutivorgan trägt die Polizei eine besondere Verantwortung solchen Tendenzen entschieden entgegenzutreten. Offenheit und Transparenz gelten dabei als erster Schritt – zumindest in diesem Punkt herrscht Einigkeit. Moritz Martin
Die Diskussion geht am 26. 4. auf dem taz lab weiter mit: Mohamed Amjahid, Jan-Denis Wulff, Patricia Nubi und Markus Textor. Moderation: Nathan Pulver. 12 Uhr, Studio Mint.
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