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Grüner Klecks im schwarzen Ländle

Ich weiß nicht, wie viele Abos die taz in den 80er Jahren in Karlsruhe hatte. Ich kannte niemanden außer mir. Und so hatte mein taz-Abo in der tiefschwarzen Provinz etwas Klandestines, ja fast schon Revoluzzerhaftes. Der Südwesten war fest in CDU-Hand. Der ewige Bürgermeister Otto Dullenkopf regierte die Stadt. Im Ländle hatte Lothar Späth Hans Filbinger als Ministerpräsident abgelöst, der über seine braune Vergangenheit als Marinerichter gestolpert war. Allerdings fand 1980 der Gründungsparteitag der Grünen in der Karlsruher Stadthalle statt, keine 900 Meter Luftlinie von meinem Briefkasten entfernt, in dem ab Mittag die taz von gestern steckte, weil die Zustellung nur per Briefpost ging. Mein Onkel, Gas- und Wasserinstallateur, arbeitete auf dem Bau und ich konnte in den Ferien bei ihm als Aushilfe jobben. Gutes Geld und handwerkliches Geschick waren der Lohn. Spannend waren die Frühstücks- und Mittagspausen, in denen ich mit meiner taz inmitten von Bild-Zeitungen saß. Oft misstrauisch beäugt, mitleidig belächelt oder neugierig gefragt, was das denn sei. Aber nur ganz selten doof angequatscht. Gegen die großen Bilder und Schlagzeilen der Bild hatte meine textlastige taz ohnehin keine Chance. Dachte ich damals. Denn heute? Karlsruhe-Stadt ist nach der Bundestagswahl ein grüner Punkt in der schwarzen Wahlkreislandschaft und Zoe Mayer hat das Direktmandat für die Grünen gewonnen. Ein Schelm, wer denkt, mein taz-Papierabo aus den 80ern hätte dies mit vorbereitet.

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Unter diesem Motto schreiben wir in Reportagen und einer Kolumne ab jetzt auf, was uns bis zum Ende der gedruckten Werktagstaz erinnernswert scheint. Viel Holz also noch bis zum 17. Oktober. Alle Zukunftsinfos unter taz.de/seitenwende.

Jürgen Vogtist taz-Korrespondent in Südamerika.

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