: Umfrage-Doping vor TV-Duell
Vor dem heutigen Fernsehduell holt die NRW-SPD auf. Experte: Zufallsmehrheit droht
BERLIN taz ■ Die abgeschlagene nordrhein-westfälische SPD glaubt fünf Tage vor der Landtagswahl doch noch an einen Sieg. Heute um 21 Uhr übertragen ZDF und WDR das zweite Fernsehduell zwischen Ministerpräsident Peer Steinbrück und seinem CDU-Herausforderer Jürgen Rüttgers – und die NRW-Sozialdemokraten rücken in Umfragen immer näher an die CDU heran. „Die Sofapartei der Nichtwähler steht auf“, verkündet der NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek.
Laut einer neuen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap ist der Vorsprung einer CDU/FDP-Koaltion vor dem rot-grünen Regierungslager in den vergangenen zwei Wochen von 9 auf 6 Prozent geschrumpft. Die CDU erreicht bei der so genannten Sonntagsfrage 43 Prozent, die SPD kommt auf 37, Grüne und FDP erreichen je 7,5 Prozent der Stimmen. Noch vor einer Woche hatte das SPD-nahe Institut Forsa Rot-Grün sogar 11 Prozent hinter Schwarz-Gelb gesehen. „Die SPD kann nur noch hoffen“, ließen da bereits Berater von Ministerpräsident Steinbrück verlauten.
Anders als die SPD selbst sehen Politikexperten in den verbesserten Umfragen jedoch keine Trendwende. „Es ist völlig normal, dass sich die Lager kurz vor dem Wahltag annähern“, sagt Karl-Rudolf Korte, Parteienforscher an der Universität Duisburg/Essen. Auch Thomas Plitt, Chef des Bonner Meinungsforschungsinstituts Omniquest, misst den Umfragen keine größere Bedeutung bei: „Man bewegt sich als Meinungsforscher auf ganz, ganz schwankendem Eis“, sagt er – zu sehr seien die Befragungen von tagespolitischen Ereignissen abhängig.
„Das zentrale Problem der SPD bleibt die Mobilisierung, daran hat sich nichts geändert“, sagt der Politologe Korte. Die besseren Umfragen könnten der SPD allenfalls „als sich selbst erfüllende Prophezeiung“ helfen und neue Energie für die letzte Wahlkampfwoche geben. „Die politischen Lager teilen sich in NRW derart knapp auf, dass es am Ende eine Zufallsmehrheit geben könnte“, so Korte zur taz.
NRW-Ministerpräsident Steinbrück will von demoskopischem Psychodoping nichts wissen: „Ich bin nicht hypnotisiert von Umfragen, sondern vom Wahlkampf“, sagte er. Sein Generalsekretär Groschek sieht das anders: „Jedes Prozent Plus in den Umfragen bedeutet zehn Prozent Stimmungsplus.“
Vom heutigen Fernsehduell erwartet Groschek weitere Stimmen für seine Partei – schließlich hatte das erste Aufeinandertreffen von Steinbrück und Rüttgers im TV vor einer Woche den Umschwung in den Umfragen ausgelöst. „Rüttgers geht den gesamten Wahlkampf auf Tauchstation“, so Groschek. „Im Fernsehen muss er sich stellen. Und wenn man ihn dafür auf seinem Sessel festbinden muss.“
KLAUS JANSEN