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Archiv-Artikel

Plausible Miss-verständnisse

Das Arbeit adele, will uns einer dieser utilitaristischen, aus protestantischer Fantasielosigkeit geborenen Sinnsprüche weismachen. Wir glauben und folgen; die Feststellung, dass Arbeit zuallererst einmal die Miete bezahlt und ansonsten wenig fürstliches Leben verheißt, ist anscheinend doch etwas zu ernüchternd.

So stand ich dereinst in sengender Hitze ungespülte Teller in Transportkisten stapelnd im Backstagebereich einer bekannten Berliner Open-Air-Bühne herum, vorne dudelte die musik-historisch unbedeutende Fußnote Harpo irgendwas vom Schlendern im Park zur Freude der anwesenden Hörerinnen und Hörer eines lokalen Radiosenders, der immer im Sommer verarmte Altstars in irgendwelchen irischen Spelunken auftreibt und zur Eigenbewerbung dem Zielpublikum zum Fraße vorwirft. Alles halb so schlimm, zahlt ja die Miete, die Meute vor Ort ist freundlich und familiär. Und dann kam Creedence Clearwater Revival oder das, was davon übrig war (neuer Name: Creedence Clearwater Revisited); die Fogertybrüder waren seinerzeit wegen Rechtsstreitigkeiten (John) und Tod (Tom) verhindert. In weniger als 10 Minuten war da aber mal so richtig Stimmung im Halbrund und die gläserspülenden Kollegen wippten angetan im Takt. CCR spielte länger als geplant und die Dudelfunker wurden langsam nervös. Nach kurzen Verhandlungen einigte man sich „auf ein weiteres Lied, dann aber definitiv Schluss“. Bonnie Tyler (schweres Lampenfieber) war der nachfolgende Hauptakt. Mit den ersten Tönen war jedoch klar: Da hatte sich jemand gehörig über den Tisch ziehen lassen. „Suzie Q“, schon in der Studioversion über 8 Minuten lang, sollte also der Abschied sein. Beinahe eine halbe Stunde lang ließen CCR die Puppen tanzen. Schlagzeuger Doug Clifford, mit seinem absoluten Rhythmusgefühl Ahnherr moderner Drumcomputer, drehte sich ab und an grinsend in Richtung Backstage. Rock ’n’ Roll! Wer hätte das an so einem Ort erwartet?

Wenn jetzt noch die von mir lange geglaubte Geschichte wahr wäre, dass John Fogerty und Suzi Quatro mal ein Verhältnis gehabt hätten und „Suzie Q“ darauf anspielte, könnte ich jetzt einen ganz wunderbaren und auch angemessen komplexen Bogen geschlagen haben zur „digibet Kultnacht“ am Montag in der „Dioxinworld“ (J. Balzer), wo Quatro zusammen mit Bonnie Tyler, Chris Norman und namenlosen One-Hit-Wondern nochmal so tun werden, als wäre wieder 1975. Das garantiert familienfreundliche Fest ist leider bereits ausverkauft, was mich jedoch nicht hindern soll, einen Gruß an die Gräfinnen und Prinzen im Backbereich an den Geschirrspülautomaten und Besteckkisten zu senden. DANIÉL KRETSCHMAR