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Keine Milde mit Clemens

Bildungsminister Sachsens zieht Unmut der Lehrkräfte auf sich

Von Ralf Pauli

Der sächsische Bildungsminister Conrad Clemens ist mit Elan ins Amt gestartet. Der CDU-Politiker wollte in den ersten hundert Tagen hundert Schulen besuchen. Immerhin 73 hat Clemens nach eigenen Angaben zwischen Regierungsbildung Mitte Dezember und Mitte März geschafft. Mit seinem Interesse am Schulalltag hat Clemens Sympathiepunkte gesammelt – und schnell wieder verspielt.

Denn über die Schlüsse, die der Minister aus den Besuchen offenbar gezogen hat, herrscht unter Leh­re­r:in­nen im Freistaat Fassungslosigkeit. Sie ist so groß, dass die Bildungsgewerkschaft GEW und der Sächsische Lehrerverband (SLV) nun zum Protest aufrufen. Zwischen 8. und 10. April sind Aktionen in Leipzig, Chemnitz und Dresden geplant. „Was Herr Clemens vorhat, ist ein Schlag ins Gesicht für alle Lehrkräfte und Schulleitungen“, sagt SLV-Vorsitzender Michael Jung der taz.

Der Unmut bezieht sich auf einen Brief, den Clemens Mitte März an die Schul­lei­te­r:in­nen geschickt hat. Darin kündigt er 21 Maßnahmen an, um den hohen Unterrichtsausfall an sächsischen Schulen von aktuell fast zehn Prozent in den Griff zu kriegen. „Als Staatsminister für Kultus ist es meine Pflicht, alle Möglichkeiten in den Blick zu nehmen, um die Unterrichtsversorgung sicherzustellen“, schreibt Clemens.

Zum kommenden Schuljahr sollen Lehrkräfte deshalb bis ins Alter von 63 Jahren (aktuell 58) die volle Stundenanzahl unterrichten. Gleichzeitig will das Ministerium die Anrechnungsstunden kürzen, mit denen Lehrkräfte für besondere Aufgaben oder Engagement entlastet werden. Fach­be­ra­te­r:in­nen etwa werden künftig nur mehr vier (bisher sechs) Stunden angerechnet.

Zudem prüft das Bildungs­ministerium, ob es nicht Mehrarbeit für alle Lehrkräfte anordnen kann, entsprechende Mehrstunden würden auf einem Arbeitszeitkonto erfasst und später ausgeglichen. Ein ähnliches Modell hat vor zwei Jahren bereits Nachbar Sachsen-Anhalt eingeführt. Die sogenannte Vorgriffstunde stieß jedoch auf großen Widerstand – und beschäftigt seither die Gerichte.

In Sachsen ist der Personalmangel an Schulen seit Jahren erheblich. In der Vergangenheit hat der Freistaat deshalb vermehrt Quer­ein­stei­ge­r:in­nen eingestellt und bereits die Teilzeit-Möglichkeit für Lehrkräfte eingeschränkt. Dennoch fehlen den Schulen aktuell 1.400 Vollzeitstellen – was oft auch das Personal im System ausbadet. Lehrerverbandschef Jung warnt davor, den Lehrkräften jetzt noch mehr zuzumuten: „Die Schulen sind bereits am Limit.“ Mit den geplanten Maßnahmen würde das Grundproblem – zu wenige nachkommende Lehrkräfte – nicht behoben. Sondern nur diejenigen vergrault, die den Laden aktuell am Laufen halten.

Auch die Opposition hat Redebedarf. Für kommenden Donnerstag haben die Grünen eine Sondersitzung im Landtag beantragt. Sie fordert von der CDU-SPD-Minderheitsregierung eine Erklärung, wie es zu den Maßnahmen kommen konnte.

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