Bachelor wollen – aber nicht einstellen

Die Qualitätsberufe verweigern den neuen Bachelors die Aussicht auf Beruf, allen voran die Architekten

Ab morgen harmonisieren sie wieder. Bildungsminister aus ganz Europa reisen nach Bergen (Norwegen), um den Stand der im Jahr 1999 beschlossenen Annäherung der Studiengänge Bachelor und Master zu evaluieren. Die Haltungen in den Ländern zum Gelingen des Jahrhundertprojekts sind, wie eine neue Studie belegt, von „vorsichtigem Optimismus“ geprägt.

Vorsicht scheint angebracht. Denn wer sich ansieht, wie indolent sich die Leitberufe zum Bachelor verhalten, muss mindestens in Skeptizismus verfallen. Für Mediziner und Juristen ist die Teilung des Studiums in zwei Phasen praktisch kein Thema. Für die Lehrer prügeln sich diejenigen, die es eigentlich am besten wissen sollten, die Kultusminister, seit Jahren um die beste Anordnung von B. A. und M. A. Und die Architekten, die Virtuosen der Baukunst, gehen zur Sabotage des neuen Studienabschlusses über. Europas Politik verkauft Bachelor und Master Studierenden als Produkte der Zukunft, die: kurz gesagt, das grenzenlose Studium zwischen Neapel und Helsinki erst möglich machen.

Der Bachelor in Architektur, so erklärt freilich Barbara Chr. Schlesinger, „ist nicht mehr als eine Halbbildung. Er führt zu keiner Tätigkeit.“ Frau Schlesinger ist niemand Geringeres als die Zuständige bei der Bundesarchitektenkammer (BAK) für die armen Bachelors. Die Kammer teilt die Auffassung ihrer Mitarbeiterin vollkommen. In diversen Stellungnahmen hat die BAK klargestellt, dass sie den Bachelor ablehnt (1999) oder ihn schlicht als Experiment ansieht, mit dem es „zum Architekten nicht reichen wird“ (2003).

Nicht viel anders denkt der Bund der Deutschen Architekten. Der Bachelor, erklärt Geschäftsführer Tillmann Prinz freundlich, ist ein Durchgangsstadium: „Er ist nur ein erster Schritt auf dem Weg zum Architekten.“ Nun muss man den Baukünstlern zugestehen, dass ihre vielhundertjährige Profession nicht nur nur unter qualitativen, sondern vor allem unter quantitativen Querelen leidet. „Wir raten den jungen Leuten nicht, Architekt zu werden. Der Markt ist überschwemmt“, sagt Prinz.

Dennoch nehmen die Architekten zum Bachelor eine höchst eigenartige Position ein: Sie wollen den Bachelor, sie befürworten den Umbau der Studiengänge und arbeiten sogar aktiv an der Formulierung neuer, in Bachelor- und Masterphasen geteilte Programme mit. Nur: Einstellen will man den Bachelor nicht. Und in die Kammer wird er schon gar nicht aufgenommen. Was sollen die Bachelorabsolventen machen, die bald auf den Markt kommen? „Das ist nicht unsere Sache“, sagt BAK-Referentin Barbara Schlesinger, „dafür ist die Politik zuständig.“ Nur zur Erinnerung: Der Architekt gehört zu den freien, aber gesetzlich geschützten Berufen. Das bedeutet: Allein die Kammern entscheiden über das Wohl und Wehe künftiger Architekten.

Die halb zustimmende, halb schroff ablehnende Haltung der Architekten zum Bachelor führt zu eigentümlichen Ergebnissen. Während die Politik darauf drängt, via Bachelor die erste Studienphase auf drei Jahre zu verkürzen, haben die Architekten eine ganz andere Zielsetzung: Sie möchten den Studiengang auf vier Jahre verlängern, am liebsten auf fünf Jahre. Das Motiv ist übrigens das identische wie in der Politik: die Internationalität des Abschlusses!

Um Bachelors bei Architekten eine Chance zu geben, helfen nur Philosophie – und Macht. Die Zunft räsonniert ja selbst in ihren Bachelor-Gutachten darüber, „dass es Architekten sicherlich nicht allein gelingen wird, diese Welt zukunftsfähig zu gestalten“. Diesen Gedanken sollten die Parlamente aufnehmen – und die Kammern per Gesetz dazu zwingen, auch halb gebildeten Bachelors Berufsaussichten zu geben.

CHRISTIAN FÜLLER