NS-Geschichte spaltet Rote und Grüne

Schily setzt sich mit seiner distanzierten Haltung bei seinen Parteifreunden durch: Anders als die Grünen-Minister Fischer und Künast wollen die SPD-Ressortchefs keine Untersuchungen über die NS-Vergangenheit in ihren Ministerien durchführen

VON LUKAS WALLRAFF

Der Umgang mit der eigenen Geschichte spaltet die Regierung. Anders als die beiden Grünen-Bundesminister Joschka Fischer und Renate Künast sehen die wichtigsten SPD-Ressortchefs offenkundig keinen Anlass für neue historische Untersuchungen zur personellen Kontinuität in ihren Ministerien nach 1945.

„Wer dies tun will, soll das tun“, hatte Innenminister Otto Schily (SPD) gestern über die Bemühungen anderer Ministerien gesagt, der NS-Vergangenheit von früheren Mitarbeitern nachzugehen. Schily selbst bekräftigte seine ablehnende Haltung. Sein Ministerium sei „nicht besonders geeignet, historische Forschungen anzustellen“. Wie eine taz-Umfrage ergab, scheinen ihm seine Parteifreunde im Kabinett zu folgen.

Verteidigungsminister Peter Struck, Finanzminister Hans Eichel und Justizministerin Brigitte Zypries ließen mitteilen, in ihren Häusern seien keine Historikerkommissionen geplant, wie sie Fischer und Künast angekündigt hatten. Aus den anderen SPD-geführten Ministerien gab es bis Redaktionsschluss keine Stellungnahmen.

Es seien „keine konkreten Maßnahmen geplant“, um die NS-Vergangenheit früherer Mitarbeiter zu untersuchen, erklärte ein Sprecher von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD). Zur Begründung verwies er unter anderem auf die „relativ späte Einrichtung des Bundesverteidigungsministeriums im Jahr 1955“. Schon allein durch diesen zeitlichen Abstand zum Kriegsende „sehen wir, ähnlich wie Herr Schily, keine direkte Kontinuität zu dem NS-Ministerium“, erläuterte Strucks Sprecher. Es habe zwar „in Einzelfällen kritische Punkte in den Biografien von früheren Mitarbeitern“ gegeben. Zu dieser Problematik seien aber bereits viele Studien veröffentlicht worden, beispielsweise vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Man habe „nicht das Gefühl, dass die Notwendigkeit für eine weitere, grundlegende Aufarbeitung besteht“.

Ähnlich reagierten auch das Finanz- und Justizministerium. Es habe „bereits in der Vergangenheit eine umfangreiche Aufarbeitung der Geschichte gegeben“, sagte eine Sprecherin von Finanzminister Hans Eichel. Unter anderem habe man sich anlässlich des Umzugs des Finanzministeriums in das ehemalige Reichsluftfahrtministerium intensiv mit der eigenen Geschichte auseinander gesetzt. Dazu gebe es auch eine Ausstellung und Informationsmaterial. Momentan sei aber „kein Bedarf für das Einsetzen einer Historikerkommission erkennbar.“

Der Sprecher von Justizministerin Brigitte Zypries wies darauf hin, dass bereits 1989, also in der Amtszeit des früheren FDP-Justizministers Hans Engelhard, eine Wanderausstellung zum Thema Justiz und Nationalsozialismus erarbeitet wurde, die derzeit in Nürnberg zu sehen sei. „Sie befasst sich umfassend mit der Problematik von Justiz und Nationalsozialismus, auch mit der personellen Kontinuität im ministeriellen Bereich.“ Die Ausstellung werde „kontinuierlich aktualisiert“, erklärte Zypries’ Sprecher, „darüber hinaus ist nichts geplant“.