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Historisches Geklimper

Bloß kein Streit: Eine Ausstellung im Städtischen Museum Braunschweig erzählt die Geschichte der Klavierbauer Steinway und Grotrian ohne Konflikte

Ein Pracht­flügel aus dem Hause Grotrian von 1898: Mit solchen Stuckbomben wollten die Steinways ihren guten Namen nicht in Verbindung gebracht wissen Foto: Roman Mishchuk/Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Von Bettina Maria Brosowsky

Zeitter & Winkelmann, Klusmann + Wenzel, Schimmel, Grotrian-Steinweg: Das waren klangvolle Namen der Braunschweiger Klavierbautradition. Die Firmen gründeten sich im 19. Jahrhundert. Hochwertiges Holz aus dem Harz gab es zur Genüge im Herzogtum, und neben den Höfen fragte ein aufstrebendes Bürgertum Musikinstrumente nach: Das Klavierspiel wurde zum Standard bei der Ausbildung höherer Töchter, und das Klavier oder, wenn möglich, der Flügel avancierte zum oft reich dekorierten Prunkstück des bürgerlichen Salons.

Eine herausragende Persönlichkeit unter diesen Klavierpionieren war zweifelsohne Heinrich Engelhard Steinweg, 1797 in Wolfshagen im Harz geboren, 1871 in New York verstorben. Ihm gelang es, eine Firma von Weltruhm zu begründen – allerdings weder in Braunschweig, wo sein ältester Sohn Theodor eine Fabrik eröffnete, noch in Seesen, wo er angefangen hatte, Instrumente zu bauen. Gemeinsam mit dreien seiner Söhne – berühmt geworden als Charles, ­William und Henry junior – ab 1853 in den USA: Steinway & Sons.

Für das Städtische Museum Braunschweig ist jener Steinweg nun der ideale Protagonist seiner Ausstellung „People and Pianos“ zur Wirkungsgeschichte Braunschweigischer Klavierbaukunst. Denn bis auch Theodor 1865 in die USA gehen musste, weil zwei seiner jüngeren Brüder überraschend kurz hintereinander gestorben und die Steinway-Leitung vakant geworden war, pflegten die New Yorker Klavierbaufirma und ihr Braunschweiger Pendant eine friedliche Koexistenz.

Spätestens ab 1892 entbrennt allerdings ein Rechtsstreit, weil Theos ehemaliger Geschäftspartner Wilhelm Grotrian und dessen Kompagnons den Namen Steinweg einfach in „swindling announcements“ weiter zu Reklamezwecken nutzen, wie William erbittert in sein Tagebuch schreibt. Ganz zum Erliegen kommt er erst 1975. Auch in letzter Instanz obsiegen die Steinways.

Diesen Wirtschaftskrimi blendet die Ausstellung leider vollkommen aus. Sie erzählt materialreich die Entwicklungs- und halbindustriellen Fertigungsprozesse des Instrumentenbaus. Sie werden mit über 25 historischen und modernen Instrumenten beider Hersteller nachgezeichnet. Ganzer Stolz des Hauses ist das Klavier „Opus 1“ aus dem Jahr 1835, von Steinweg noch ganz handwerklich im Herzogtum Braunschweig gefertigt und im Besitz des Museums.

Einen Durchbruch bedeutete für Steinway die Perfektionierung des Gussrahmens und die Erfindung der Kreuzbesaitung, 1859 mit Patent bedacht. Der älteste, in Deutschland verbliebene Sohn Theodor (1825–1889), der die väterliche Werkstatt erst nach Wolfenbüttel, dann nach Braunschweig verlegt hatte, nutzte selbstverständlich auch dort schon diese Neuerungen. Seine Firmenanteile verkaufte er dann jedoch an Partner Grotrian und die zwei Mitarbeiter Adolf Helfferich und Heinrich Schulz.

Ausstellung „People and Pianos. Steinway & Sons | Grotrian-Steinweg“: bis 27. 4., Städtisches Museum Braunschweig

Vortrag „Klavierbau im Herzogtum Braunschweig“: Di, 11. 3., 18 Uhr

Konzert mit Lucas Blondeel, Pianist und Spezialist für historische Tasteninstrumente: Fr, 21. 3., 19 Uhr

Theodore Steinway, wie er in den USA nun genannt wurde, muss ein wahres Genie im Flügelbau gewesen sein. Dutzende Patente und technische Neuerungen gehen auf sein Konto. Er revolutionierte die Tastenmechanik und definierte einen neuen klanglichen Standard.

Aber er strebte auch eine Rückverankerung in die große Musiktradition der alten Welt an. Er gab auch 1880 den Anstoß, „Steinways Pianofabrik“ in der heutigen Schanzenstraße in Hamburg zu gründen, während er selbst nach Braunschweig zurückgekehrt war, um seinen Lebensabend dort zu verbringen. Seine wertvolle Instrumentensammlung vermachte er dort dem Städtischen Museum.

Der Zweite Weltkrieg bedeutete für beide Firmen eine Zäsur. Von den Holzspezialisten wurden nun Kriegsgüter verlangt, die Beplankung von Lastenseglern etwa oder auch Särge. Steinway produzierte 2.000 Stück eines Kuriosums, sein „Victory Vertical“: ein kleines, feldgrün lackiertes Piano zur Frontunterhaltung, das mitsamt Stimmwerkzeugen und einer Notenauswahl in einer robusten Kiste per Fallschirm abgeworfen werden konnte.

Ganzer Stolz des Museums ist das Klavier „Opus 1“, das Heinrich Engelhard Steinweg 1835 in seiner Werkstatt in Seesen noch ganz in Handarbeit gefertigt hat

Grotrian-Steinweg und Schimmel waren die zwei letzten in Braunschweig verbliebenen Klavierfabriken. Beide wurden letztlich von chinesischen Konkurrenten übernommen, die jedoch den wirtschaftlichen Niedergang, im Falle von Grotrian-Steinweg gar die Insolvenz im vergangenen Jahr, allenfalls aufzuschieben vermochten.

Auch Steinway & Sons ging ab Mitte der 1970er-Jahre schließlich durch diverse Hände. Aktuell gehört es einem amerikanischen Finanzinvestor. Die Zeit der familiengeführten Instrumentenbau-Betriebe ist offenkundig vorbei: Leider streift die Ausstellung diese Umbrüche nur am Rande und klimpert eher im historisch Unverfänglichen.

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