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Archiv-Artikel

Kommt Lockerbie-Täter frei?

TERRORISMUS Dem Libyer Megrahi, der wegen eines Flugzeuganschlags über Schottland mit 259 Toten lebenslang einsitzt, winkt Haftverschonung aus Gesundheitsgründen

VON RALF SOTSCHECK

DUBLIN taz | Der wegen des Lockerbie-Anschlags zu lebenslanger Haft verurteilte Abdelbaset al-Megrahi wird wahrscheinlich nächste Woche freigelassen und kann in seine libysche Heimat ausreisen. Der schottische Justizminister Kenny MacAskill will in den nächsten Tagen über den Antrag auf Haftverschonung aus humanitären Gründen entscheiden. Al-Megrahi leidet unter Prostatakrebs im Endstadium.

Bei dem Bombenanschlag auf eine Boeing 747 der US-Fluggesellschaft Pan Am über der schottischen Kleinstadt Lockerbie kurz vor Weihnachten 1988 starben sämtliche 259 Passagiere und Besatzungsmitglieder. Durch die herabstürzenden Flugzeugteile wurden elf weitere Menschen in Lockerbie getötet. Das Flugzeug war in Malta gestartet und nach einer Zwischenlandung in London auf dem Weg nach New York. Die Bombe soll in Malta in einem Koffer ins Flugzeug geschmuggelt worden sein.

Der 57-jährige al-Megrahi arbeitete damals als Chef der Flugsicherheit für die Libyan Arab Airlines auf Malta. Im November 1991 beantragten sowohl die schottischen als auch die US-amerikanischen Behörden Haftbefehle gegen al-Megrahi und einen weiteren Libyer, Lamen Chalifa Fhimah, doch Libyen weigerte sich, die beiden auszuliefern. Aufgrund von UN-Sanktionen und der Einfrierung libyscher Regierungskonten im Ausland willigte der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi 1999 schließlich ein, die beiden Verdächtigen auf neutralen Boden in die Niederlande zu überstellen, wo ihnen der Prozess nach schottischem Recht gemacht wurde.

Er dauerte neun Monate. Am Ende wurde al-Megrahi verurteilt, das Gericht empfahl eine Mindesthaft von 20 Jahren. Sein Mitangeklagter Fhimah wurde freigesprochen. Im Berufungsprozess 2002 wurde die Strafe für al-Megrahi auf mindestens 27 Jahre erhöht. Hauptbelastungszeuge war ein Geschäftsinhaber aus Malta, der ihn als Käufer von Kleidungsstücken identifizierte, die sich im Koffer mit der Bombe befunden haben sollen.

Libyen übernahm 2003 die Verantwortung für den Anschlag und zahlte den Angehörigen der Opfer insgesamt 2,7 Milliarden US-Dollar Entschädigungen. Die USA strichen daraufhin Libyen von der Liste der „Schurkenstaaten“. Al-Megrahi hat jedoch stets seine Unschuld beteuert. Die schottische Berufungskommission ließ im April eine erneute Berufung zu – eine solche Entscheidung wird nur in Fällen getroffen, bei denen der Verdacht auf ein Fehlurteil besteht.

Jim Swire, dessen Tochter Flora in Lockerbie starb, sagt: „Ich glaube nicht, dass er schuldig ist. Je schneller er wieder bei seiner Familie ist, desto besser.“ Andere Hinterbliebene kritisierten die mögliche Freilassung jedoch scharf.