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Ein rollender Galopp durch die Highlands

Mit dem Nachtzug kommt man bequem von London in verschiedene Regionen Schottlands

Von Sebastian Wilken

Die Begrüßung stimmt schon mal. Der Schaffner – beim Caledonian Sleeper heißt er Host, also Gastgeber, und steckt in einem Jackett aus Tweed – nimmt uns herzlich am Bahnhof London Euston in Empfang. Er streicht unseren Namen von der Gästeliste und führt uns ins Abteil. In die schottischen Highlands soll es gehen.

Wir haben die einfachste Kategorie im Schlafwagen gebucht: „Classic“ – zwei Betten übereinander, Waschbecken am Fenster. Kostenpunkt ab 200 Pfund, umgerechnet sind das etwas mehr als 240 Euro. Wer mehr zahlt, bekommt ein „Club“-Abteil mit Mini-Nasszelle oder sogar eine Suite mit Doppelbett. Die Wagen sind erst ein paar Jahre alt und bieten modernen Komfort. Edle Farben und Details wie ein eigens für den Zug kreiertes Schottenkaro sorgen für die besondere Note.

Den Caledonian Sleeper gibt es in zwei Varianten, die jeweils aus mehreren Zugteilen bestehen: Der Lowland Sleeper fährt das relativ kurze Stück von London nach Edinburgh und Glasgow. Wir haben uns für den Highland Sleeper entschieden. Hier kann man nicht nur länger schlafen, auch die Landschaft vor dem Fenster ist deutlich beeindruckender. Neben unserem Zugteil nach Fort William gibt es weitere nach Inverness und Aberdeen.

taz-Serie Nachtzugkritik

Nachtzüge sind eine umweltfreundliche Alternative zu vielen Flügen. Die taz stellt deshalb in loser Folge Verbindungen mit Schlaf- oder Liegewagen vor. Wir schreiben aber auch, was besser werden muss, damit sie für mehr Menschen attraktiver werden. Alle Folgen gibt es auf www.taz.de/nachtzugkritik.

Während wir durchs nächtliche England rollen, zwängen wir uns durch die Gänge zum Speisewagen. Ein Kellner platziert uns an einen Zweiertisch. Die Atmosphäre ist gediegen und ruhig. Von Trinkgelagen, von denen hier und da im Internet zu lesen ist, keine Spur. Wer mag, kann sich mit kulinarischen Klassikern wie Haggis, Neeps und Tatties schon mal auf Schottland einstimmen. Die Karte verzeichnet aber auch Vegetarisches und – natürlich – eine große Auswahl an Whisky. Wir belassen es bei einem Schlummertrunk.

Am Morgen weckt uns ein sanftes Galoppieren. Wir haben Schottland erreicht und sind nun auf der West Highland Line, einer der schönsten Bahnstrecken im Vereinigten Königreich. Weil die Schienen hier noch von Schrauben zusammengehalten werden, macht der Zug an jedem Übergang einen kleinen Hüpfer. Wir finden das charmant und passend zur Szenerie: Nebel liegt über dem Moor und steigt an den kahlen Hängen der Highlands auf.

Der Zug zieht sich durch die berühmte Horseshoe-Kurve, wo drei Gipfel den direkten Weg versperren, als der Host das Frühstück ins Abteil bringt. Es gibt Porridge und Tee. Wer mag, kann aber auch für ein Scottish Breakfast in den Speisewagen gehen. Kleiner Wermutstropfen: Als Reisende im „Classic“-Abteil zahlen wir fürs Frühstück extra, nur in den höheren Kategorien ist es inklusive. Etwas knauserig, angesichts des Fahrpreises.

Edle Details wie ein eigens für den Zug kreiertes Schottenkaro sorgen für die besondere Note

Kurz vor neun klopft es wieder. Wir werden durch den halben Zug geführt, noch ein letztes „Goodbye“, die Tür springt auf – und dann sind wir auf dem viel zu kurzen Bahnsteig, mitten in der Einsamkeit.

Genau hier, in Corrour, dem höchstgelegenen Bahnhof Großbritanniens, ließ Regisseur Danny Boyle einst seine Helden in seiner Romanverfilmung „Trainspotting“ aussteigen. Als der Zug langsam am Horizont verschwindet und wir in dieser Wahnsinnskulisse stehen, müssen wir erst mal schlucken. Was für ein Ort, was für eine Fahrt.

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