Träume, auf Sand gebaut

UMBRUCH Peter Kahanes Film „Die Architekten“ fängt das Lebensgefühl in der DDR kurz vor der Wende ein. Heute Abend wird die selten zu sehende Defa-Produktion in Anwesenheit des Regisseurs im Open-Air-Kino auf dem ehemaligen Todesstreifen gezeigt

Während der Dreharbeiten am Alex, verkündete Schabowski in einem Schaufenster-TV die Maueröffnung

Natürlich sind Spielfilme in vielerlei Hinsicht Kinder ihrer Zeit. Doch nur selten geschieht es, dass politische Ereignisse so eng mit Thematik und Genese verknüpft sind, wie das bei „Die Architekten“ der Fall ist. Peter Kahanes 1988 begonnenes und 1990 fertiggestelltes Werk um den erfolglosen Architekten Daniel Brenner (Kurt Naumann), der seinen plötzlichen beruflichen Aufstieg mit dem Bankrott seines Privatlebens bezahlen muss, ist der erste Defa-Spielfilm, der nach der Wende in die Kinos gekommen ist.

Er reflektiert genauestens jenes merkwürdige Vorwendeklima zwischen Aufbruchstimmung und Sinnvakuum. In einem Interview beschreibt Peter Kahane, wie die Fiktion damals von der Wirklichkeit überholt wurde: Während der Dreharbeiten am Alexanderplatz verkündete Günter Schabowski auf einem Schaufensterfernseher die Öffnung der Mauer. Durch den Zusammenbruch der DDR war der Film plötzlich nicht mehr jenen rigiden Produktions- und Zensurrichtlinien unterworfen, die dem Projekt vorher das Aus beschert hätten.

„Die Dinger kommen neuerdings ungebügelt aus der Wäscherei.“ Schon der erste Satz aus dem Mund von Wanda (Rita Feldmeier), Brenners Frau, offenbart, dass sich ein Systemfehler eingeschlichen hat. So unerträglich ist für sie das Dasein in der DDR geworden, dass sie ihrem Ehemann zusammen mit der gemeinsamen Tochter für immer den Rücken kehren möchte, um in der Schweiz ein neues Leben zu beginnen. Für Brenner kommt diese Entscheidung freilich zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, schließlich hat er gerade von höchster Stelle den Auftrag erhalten, ein Kulturzentrum, sein eigenes kleines Utopia, zu entwerfen.

Endlich, so scheint es, wird ihm, dem Enddreißiger, der Schritt aus dem Reich der Ideen – bislang ist kein einziger seiner Entwürfe realisiert worden – hinein in die Wirklichkeit gelingen. Doch seine Pläne werden torpediert, so lange, bis aus dem revolutionären Projekt mit Kino und Einkaufszentrum ein trübes, graues Nichts geworden ist. Am Schluss muss Daniel Brenner feststellen, dass er auf Sand gebaut hat, dass er seinen Kampf um die Verwirklichung seines Lebenstraumes in einem Moment austrägt, in dem die Menschen um ihn herum längst erwacht sind. Aufgrund der sorgfältig ausgefeilten Dramaturgie ist „Die Architekten“ ein bewegender Film über den Verlust von Heimat, der seine Protagonisten und deren Nöte in jedem Moment ernst nimmt. ANDREAS RESCH

■ „Die Architekten“. Regie: Peter Kahane. Mit Kurt Naumann, Rita Feldmeier, Uta Eisold u. a. Deutschland 1990, 102 Min.

Der Spielfilm läuft heute im Rahmen der Reihe „20 Jahre Mauerfall: Geteilte Vergangenheit – Gemeinsame Geschichte“ vor der Kapelle der Versöhnung in der Bernauer Straße. Zuvor findet eine Gesprächsrunde mit dem Regisseur und seinem Sohn Tamás Kahane sowie den Schriftstellern Peter und David Ensikat statt. 21 Uhr, Eintritt frei