: Tricks und Kniffe
Beim Aufeinandertreffen der deutschen Dickschiffe in der Champions League, FC Bayern München und Leverkusen, stehen die Bayer-Taktik sowie Kreativspieler Florian Wirtz im Mittelpunkt

Von Daniel Theweleit
Mit großer Neugier wird auf die Formation und die taktische Herangehensweise geschaut, die sich während der nunmehr siebten Begegnung des Leverkusener Trainers Xabi Alonso mit dem FC Bayern München ergeben könnten. Verloren hat der spanische Trainer noch nie gegen den Rekordmeister, auch weil er diese Begegnungen fast immer mit erstaunlichem Erfolg zu Trainerspielen machte. In der Vorsaison überraschte er Thomas Tuchel mit einer aus vier Innenverteidigern bestehenden Abwehrkette und gewann mit 3:0. Im DFB-Pokal überließ er den Bayern trotz Überzahl den Ball, seine Mannschaft ermauerte einen 1:0-Sieg. Zuletzt erdrückte Bayer Leverkusen die Münchner beim 0:0 derart effizient, dass Joshua Kimmich, Harry Kane und Jamal Musiala in 90 Minuten keinen einzigen kontrollierten Spielzug durch das Mittelfeld hinbekamen.
Auch der langjährige Leverkusener Kapitän Jens Nowotny ist gespannt, welche Trainerkniffe Alonso sich für das Achtelfinalhinspiel in der Champions League einfallen lässt, das am Mittwochabend in München stattfindet (21 Uhr, live auf DAZN). Fußballnerds werden sich austoben können, und auch Nowotny freut sich auf die Fachgespräche, die er am Donnerstag auf der DFB-Trainertagung zum Duell zwischen Alonso und dem Münchner Kollegen Vincent Kompany führen wird. Allerdings glaubt der heutige Trainer der deutschen U17-Nationalmannschaft nicht, dass Systeme und Strategien den Weg ins Viertelfinale ebnen werden. „Man muss aufpassen, dass man sich nicht in der Taktik verliert“, sagt Nowotny, „denn es gibt einen Spieler auf dem Platz, der diese Achtelfinalspiele entscheiden wird: Florian Wirtz.“
Es mag Bayern-Fans und Anhänger von Jamal Musiala geben, die das anders sehen, aber vieles spricht dafür, dass Wirtz derzeit tatsächlich der einflussreichste Profi der Bundesliga ist. Ein Fußballer, der vielleicht noch nicht bei einem Weltklasseklub, dafür aber konstant auf Weltklasseniveau spielt. „Er ist ein großes Geschenk“, findet Alonso. „Was er macht, ist Kunst auf hohem Niveau“, ergänzt Leverkusens Kapitän Lukas Hradecky. Wirtz spielen zu sehen, ist ein Genuss. Fast jede seiner Aktionen hat irgendeinen kleinen besonderen Schnörkel, ist umweht von einem Zauber, von einer Schönheit, die nie Selbstzweck, sondern immer sinnvoll ist. Was diesen Fußballer aber wirklich einzigartig macht, sagt Granit Xhaka: „Er ist ein Zehner, aber mit der Mentalität eines Sechsers.“
Andere Weltklassekünstler wie Lionel Messi, Cristiano Ronaldo oder Kylian Mbappé investieren ihre Energien eher ungern in die Defensive, sie verteidigen nur aus Pflichtbewusstsein oder weil sie verstanden haben, dass damit Siege in großen Spielen wahrscheinlicher werden. Wirtz hingegen ist gesegnet mit künstlerischer Intuition und Leichtfüßigkeit, zugleich hat er aber echte Freude daran, das eigene Tor zu verteidigen. „Ich versuche, jemand zu sein, auf den die Mannschaft sich verlassen kann“, sagt er in der jüngsten Ausgabe des Vereinsmagazins. „Eine meiner großen Qualitäten ist, dass ich viel laufen kann, auch in schnellem Tempo. Ich habe die körperlichen Voraussetzungen, um in viele Zweikämpfe zu kommen.“
Jens Nowotny, ehemaliger Profi von Bayer Leverkusen
Laut Statistik hat Wirtz während der laufenden Bundesligasaison mit großem Abstand die meisten Zweikämpfe gewonnen (334), auf Rang zwei folgt Mönchengladbachs Tim Kleindienst mit einem Wert von 283. Das sind satte 15 Prozent Unterschied zwischen Platz eins und Platz zwei. Auch wegen dieser Stärke ist Wirtz gleich in seiner ersten Saison als Champions-League-Spieler zu einer prägenden Kraft in diesem Wettbewerb geworden.
In den acht Partien der Gruppenphase hat er fünf Tore geschossen und eines vorbereitet, außerdem hat er Erfahrungen gesammelt, etwa bei der 0:4-Niederlage in Liverpool, als er zu viel wollte und seine Leichtigkeit verlor. Oder als Bayer mit 1:2 bei Atlético Madrid unterlag und Wirtz sich in eine Auseinandersetzung mit dem Gegenspieler verwickeln ließ. Auch das ist ein Talent dieses Fußballers, der auf dem Transfermarkt mit dreistelligen Millionensummen in Verbindung gebracht und mit den größten Stars der Fußballweltgeschichte verglichen wird.
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