: Der dichteste Dudelmix der Republik
Die Berliner Radios kämpfen um ihre HörerInnen. Hintergründige Wortbeiträge oder außergewöhnliche Musik stören dabei nur. Die Sender unterscheiden sich fast nur durch ihre Jingles. Das Potenzial des Mediums bleibt auf der Strecke
Berlin ist der schizophrenste Radiomarkt der Republik. Nirgendwo anders gibt es so viele Sender auf engstem Raum. Und nirgendwo anders senden so viele Dudelwellen gegeneinander an.
Am besten laufen biedere Mischungen für ganz Berlin und Brandenburg: Das Erfolgsrezept heißt „Krachschlager, Herz-Schmerz-Oldies und ein bisschen nicht zu greller Pop“, dazu jede Menge lokalster Information direkt aus der Lebenswelt. Dabei geht der Unterschied zwischen der öffentlich-rechtlichen Antenne Brandenburg des RBB und dem privaten BB-Radio zwar schon mal flöten. Aber die Zahlen stimmen: Mit 247.000 „HörerInnen gestern“ – so nennt sich die Radio-Quotenwährung – liegt BB-radio aktuell knapp vor Antenne Brandenburg (240.000 HörerInnen).
Noch heftiger ist der Wettbewerb der privaten Dudelfunker von r.s.2, Berliner Rundfunk, RTL-Radio und Spreekanal. Unterschiede gibt es de facto nicht mehr – und das hat für die Sender Konsequenzen: Wer eigentlich sogar in der Mitte des Liedes sein Jingle spielen muss, um als Marke erkannt zu werden, verliert HörerInnen. Wortbeiträge und eine klare politische Ausrichtung stören in einem solchen Programm sowieso nur.
Das jedenfalls hat Hundert,6 schmerzlich erfahren müssen. Der Sender ging unter Georg Gafron in die Knie und wurschtelt sich derzeit unter seinem ebenfalls nicht ganz unumstrittenen Geschäftsführer Thomas Thimme durch die Insolvenz. Bei der letzten Erhebung schalteten nur noch 26.000 den einstigen Marktführer täglich ein.
Absurde Züge nimmt der Wettbewerb zwischen den auf unter 30-Jährige schielenden Sendern an: Während das öffentlich-rechtliche Radio Fritz die Marktführerschaft (121.000 HörerInnen) verteidigt, liefern sich Kiss FM (51.000) und Radio Energy (36.000) Schlammschlachten (s. oben). Das Medium Radio und sein Potenzial bleiben dabei auf der Strecke. Auch beim öffentlich-rechtlichen RBB.
Radio Eins, der große Wurf „nur für Erwachsene“, der so anders sein wollte als alle anderen, konnte zu Jahresanfang zwar erstaunlich zulegen und rangiert mit 90.000 HörerInnen jetzt außerhalb der RBB-internen Abstiegszone. Doch nach fünf Jahren Dauergenuss klingt auch hier alles wie schon einmal gehört. Die präzise Fopperei der Moderatoren Hallaschkas, Thadeusz & Co. sind längst vorhersehbar wie der Inhalt einer durchsichtigen Wundertüte.
STEFFEN GRIMBERG