piwik no script img

Kulturerbe untergraben

Der Unternehmer Wolfgang Porsche lässt in Salzburg einen privaten Autotunnel zu seiner Luxusvilla graben – die Politik winkt es durch, die Gesellschaft schüttelt den Kopf

Bauarbeiten am Kapuzinerberg: Hier steht auch das Denkmal von Wolfgang Amadeus Mozart Foto: Patrick Guyton

Aus Salzburg Patrick Guyton

15 Jahre lang lebte der Schriftsteller Stefan Zweig im Paschinger Schlössl in Salzburg. In der Residenz auf dem Kapuzinerberg 5 soll er mehrere Hunderttausend Manuskriptseiten geschrieben haben, auch gab er große Empfänge. Die Villa war von 1919 bis 1934 eine sehr angesagte Adresse im Kulturleben der österreichischen Stadt.

Seit rund vier Jahren gehört das Anwesen nun Wolfgang Porsche. Der 81-jährige Industrielle und Aufsichtsratsvorsitzende der Porsche AG in Stuttgart-Zuf­fenhausen hatte die Villa für 8,4 Millionen Euro gekauft und lässt sie nun sanieren. Laut Medienberichten soll das Haus im Sommer 2025 bezugsfertig sein, dann will Porsche mit seiner Familie einziehen.

Allerdings gibt es einen Schwachpunkt, der mit Blick auf die Topografie schnell zu erkennen ist: der Weg rauf zum Schlössl. Er wird schon seit dem 17. Jahrhundert benutzt, ist aber schmal und steil. Auch pilgern dort meist Heerscharen von Besuchern zum Denkmal für den in der Stadt allgegenwärtigen Wolfgang Amadeus Mozart.

Als Lösung hat sich die graue Eminenz des Sportautobauers etwas ganz Besonderes ausgedacht: Zur Villa soll ein eigener privater Pkw-Tunnel gebohrt werden. 500 Meter lang und 50 Meter nach oben würde die Röhre verlaufen. Die Piste hat zehn Prozent Steigung – mit dem entsprechenden Fahrzeug kein Problem. Am Ende ist ein Parkplatz für neun Autos geplant, mit Zugang direkt ins Paschinger Schlössl.

Das Ganze kann man als Geheimprojekt bezeichnen, denn bis vor wenigen Tagen wusste die Öffentlichkeit nichts von dem Tunnel-Deal. Dieser war schon im Februar 2024 zwischen Porsche und dem damaligen Salzburger Bürgermeister Harald Preuner von der konservativen ÖVP beschlossen worden. Da war Preuner fast nicht mehr Stadtoberhaupt. Im März wurde gewählt, er trat nicht mehr an.

Nun ist Porsches Tunnel Top-Gesprächsthema in der Salzach-Stadt, die Kritik nimmt zu. Ingeborg Haller von der grünen Bürgerliste sagt im Standard: „Wir lehnen Sonderbehandlungen für Superreiche ab.“ Die Kommunisten von der KPÖ, im Gemeinderat zweitstärkste Kraft, verlangen Akteneinsicht.

Ein Besuch vor Ort. Verdeckt von Planen und Gestrüpp ist die Villa nur begrenzt als riesige Baustelle auszumachen. Ein großer Kran ist aufgestellt. An einer Baracke ist ein kleines Hinweisschild auf Stefan Zweig, direkt daneben liegt das wuchtige Kapuzinerkloster. Vom gegenüberliegenden Mönchsberg ist es besser zu sehen: das Kloster, die Villa, der Kran.

Porsche gilt als erfolgreiches, ehrbares schwäbisches Unternehmen. Wenngleich es in der NS-Zeit auch Panzer baute, Zwangsarbeiter ausbeutete und der Gründer Ferdinand Porsche – Großvater von Wolfgang – sich an Hitler ranschmiss.

Maß und Mitte sollen gut konservative Werte sein. Beim Privattunnel-Fall sind diese komplett aus den Fugen geraten. Der Sachstand erscheint komplex. Denn um zur geplanten Auffahrt am Parkhaus Linzer Gasse zu kommen, muss öffentlicher Boden überfahren werden. Auch der Berg selbst gehört mit Ausnahme des Villen-Grundstücks der Stadt. Um dennoch bohren zu dürfen, hat Wolfgang Porsche das „Wegerecht“ für einmalig 40.000 Euro von der Stadt Salzburg gekauft. Das erscheint als ziemlich schlappe Summe.

Die Salzburger Stadtverwaltung teilt auf taz-Anfrage mit, „dass hier richtlinienkonform vorgegangen worden ist“. Und weiter: „Die zivilrechtliche Zustimmung für den Tunnel wurde am 14. 2. 2024 erteilt.“ Also eine reine Verwaltungssache. Ein Häuschenbesitzer beantragt den Anbau einer Garage, dieser wird genehmigt. Herr Porsche will einen Privattunnel, der wird auch genehmigt.

Allerdings wurde nun eilig ein Prüfauftrag an das städtische Kontrollamt erteilt mit der Frage, welche Grundstücke unter dem Berg wem genau gehören und welche Bauarbeiten wo genau vereinbart wurden.

Weite Teile des Berges, unter dem der Tunnel gebohrt werden soll, sind bewaldet. Die Stadt spricht jetzt von einem „gesamten Ausmaß von 1.500 Quadratmetern“.

„Das ist nicht akzeptabel“, kritisiert die Grünen-Frau Haller im Gespräch mit der taz. „Das wurde vom früheren Bürgermeister mit Wolfgang Porsche im stillen Kämmerlein vereinbart.“

Erst jetzt hat der Gemeinderat überhaupt davon erfahren.

Der neue Bürgermeister, Bernhard Auinger von der sozialdemokratischen SPÖ, meint: „Natürlich wäre es geschickter gewesen, die Öffentlichkeit zu informieren.“ Ob der Tunnel „zeitgemäß und moralisch vertretbar ist“, müssten andere beurteilen.

Um bohren zu dürfen, hat Porsche das „Wegerecht“ für 40.000 Euro von der Stadt gekauft

Was Wolfgang Porsche für die Röhre hinblättern wird, lässt sich nur annäherungsweise schätzen.

Tunnelprojekte können sich ja drastisch verteuern, wie man bei Stuttgart 21 oder dem zweiten Tunnel der Münchner S-Bahn-Stammstrecke sieht.

Möglich ist es schon, dass für die Luxusauffahrt durch den Berg mehr gezahlt wird als für die gesamte Villa, also 8,4 Millionen Euro.

Ein Sprecher von Porsche sagt auf Anfrage, es handle sich um „ein rein privates Immobilienprojekt“ des Aufsichtsratschefs. Dieser äußere sich nicht dazu. Auch nicht, ob die Öffentlichkeit möglicherweise an dem historischen Zweig-Haus in irgendeiner Form teilhaben kann. Das Schlössl steht unter Denkmalschutz und ist als Teil des historischen Zentrums Unesco-Weltkulturerbe.

Das kulturelle Salzburg schmerzt diese Entwicklung sehr. Seit Jahrzehnten bestand die Idee, in der Villa ein Stefan-Zweig-Museum einzurichten. Doch zum Kauf des Gebäudes kam es nicht. Wolfgang Porsche hatte 2021 gesagt, er strebe „eine Mischung aus öffentlicher und privater Nutzung“ an.

Lebte dort bis zu seiner Flucht 1934: Schriftsteller Stefan Zweig vor dem Paschinger Schlössl Foto: Imagno/Getty Images

Man könnte dort Seminare und Vorträge abhalten. Der Porsche-Sprecher kann nichts dazu sagen, wie die aktuelle Haltung des Milliardärs in dieser Frage ist.

In der Villa hatten sich einst bei Stefan Zweig viele international bekannte Schriftsteller und Musiker getroffen. Darunter waren zum Beispiel Thomas Mann, Richard Strauß oder Carl Zuckmayer.

Zweig selbst floh 1934 mit seiner späteren Frau Charlotte vor den Nazis und ging über Umwege ins Exil nach Brasilien.

In großer Verzweiflung über die NS-Barbarei in Europa und anderen Teilen der Welt nahm er sich gemeinsam mit Charlotte im Februar 1942 im brasilianischen Petrópolis das Leben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen