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Bläser gegen Nationalismus

Das Dubioza Kolektiv aus Sarajevo mischt Balkansound mit Latin, Reggae und Grips auf. Nun kommt es auf Tournee

Bisschen Village People ist auch dabei: Dubioza Kolektiv Foto: Goran Lizdek/Edvin Kalic

Von Erich Rathfelder

Dubioza Kolektiv ist eine bosnische Band, der es mit ihrem dringlichen Balkansound sogar gelingt, Nichtmusikaffine wie den Autor von den Sitzen zu reißen. Die Energie der Musik springt sofort auf das Publikum über. Ihr Sound wird als Mischung aus Ska, Reggae, Punk, HipHop, Dub und Turbofolk beschrieben, für Laien ist der Sound von Dubioza Kolektiv vor allem Inspiration und hält sie ständig in Bewegung.

Ihre ehemals beinhart ausgestellte Balkansozialisation wurde, so scheint es, in den letzten Jahren etwas abgemildert, doch musikalisch ist das Repertoire dadurch vielfältiger geworden. Wahrscheinlich mit Rücksicht auf den internationalen Markt und den Plan, mit englischen Versionen und jetzt sogar mit einer spanischen, das heißt lateinamerikanischen Version aus dem balkanischen Ghetto auszubrechen und weltweit Karriere zu machen. Lateinamerikanische Rhythmen verweben sich mit den bosnischen, verwegenen Bläserarrangements zu genialen Klängen.

Für Leute aus Sarajevo ist diese Entwicklung eigentlich nicht komplett erstaunlich, denn sie knüpft im Falle des Spanischen an einer tiefliegenden Tradition in Bosnien an. Die klassische bosnische Musikrichtung, die traurig schönen Klänge von Sevdalinka, sind ja beeinflusst von der Kultur der altspanisch sprechenden sephardischen Juden, die ab 1492 nach Sarajevo fliehen mussten. Aber das nur nebenbei.

Der 1978 geborene Brano Jakubović ist Sänger der siebenköpfigen multinationalen Band. „Wir leben in einer verrückten und gefährlichen Welt. Viele Mächtige beziehen ihre politische Bildung aus Computerspielen.“ Es komme gerade in einer solchen Situation darauf an, gechillt zu bleiben. Wichtig sei für die Band die Qualität der Musik und die Message, die Dubioza Kolektiv verbreitet.

Denn Dubioza Kolektiv steht auch für sarkastische und ironische Songtexte, die Band greift die Mächtigen mit Ironie und Witz an. Da heute ein Milliardär wie der Südafrikaner Elon Musk globale Politik macht, um über Europa und die ganze Welt zu herrschen, verweist Brano wie bereits erwähnt auf die Computerspiele: „Daraus beziehen sie ihr Weltbild, die Idee der Kommunikation unter Menschen ist für sie offenbar nicht wichtig. Für uns und unsere Musik ist das aber natürlich schon.“

Dubioza Kolektiv ist in der Tat bis heute unbeirrt kritisch und angriffslustig gegenüber den Korrupten, den Oligarchen jeglicher Art, den Mächtigen auf dem Balkan und in aller Welt geblieben. Und sie ist weiter gut für Provokationen gegen dumpfen Nationalismus überall.

Als sie beim Silvester-Konzert in der kroatischen Hafenstadt Split einen Song über den in Sarajevo immer noch populären ehemaligen jugoslawischen Staatschef Tito vortrugen, forderten sie damit rabiate Kritik von Nationalisten heraus. Brano Jakubović winkt ab: „Es kommt gerade in einer solchen Situation darauf an, normal zu bleiben“, betont er am Telefon. Was ist aber normal? „Auf jeden Fall nicht extremistisch, die einfachste Formel für uns ist also in dieser verrückten Welt normal zu bleiben“, erklärt er und drückt damit die Sehnsucht der bosnischen Gesellschaft aus, die in den 1990er Jahren durch einen zerstörerischen Krieg gehen musste. Seine Position reflektiert die Geschichte des Landes und die Erfahrung mit zerstörerischen Extremisten. Ein Land mit „normalen Verhältnissen“ bleibt für Bosnier und alle anderen vom Krieg betroffene Menschen immer ein Sehnsuchtsort, der Wunsch nach einer wieder heilen Welt ist also nicht banal.

Dubioza Kolektiv startet jetzt eine große Tournee, die auch nach Deutschland führt. Für Brano Jakubović ist Deutschland ein Schlüsselstaat. „Wir Menschen aus Bosnien und Ex-Jugoslawien haben auch persönlich viele Verbindungen zu Deutschland.“ Durch die vor 60 Jahren eingewanderten Gastarbeiter sei eine bosnische Diaspora entstanden, auch später kamen noch viele Menschen aus diesem Raum nach Deutschland. „Wenn wir hier auftreten, haben wir ein gemischtes und begeisterungsfähiges Publikum aus Deutschen, mehrere Generationen Zuwanderern vom Balkan, viele Leute, die die Sprache der Musik verstehen, das ist einfach schön, daher spielen wir immer gerne in Deutschland.“

9. 2., Tonhalle, München 11. 2., Live Music Hall, Köln.

12. 2., Pavillon, Hannover 13. 2., Festsaal Xberg, Berlin 14. 2., Im Wizeman, Stuttgart

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