: Mein bestmöglicher Mann
Eigentlich hat unsere Autorin genug vom Optimierungswahn, bei ihrem Mann versucht sie’s trotzdem seit Jahren. Eine Handreichung für Perfektion in allen Lebenslagen
Von Harriet Wolff
Das Optimieren, das Verbessern von allem und jedem und jeder habe ich im leicht fortgeschrittenen Alter sattsam satt. Nicht wegen der vermeintlichen bis knallharten Widerstände des Gegenübers, die können höchst aufschlussreich sein, ja manchmal regelrecht komisch und entlarvend. Man denke da nur an sich selbst. Stichworte Prokrastinieren, Pünktlichkeit, Serien- oder Schokomüslisucht.
Nein, ich habe das Optimieren satt, weil es letztlich mindestens zwei Folgen hat. Und die sind schlimm genug. Die eine: Optimieren endet nie. Einmal angefangen, komme ich da nicht mehr heraus aus der Nummer. Die andere Folge ist eher eine Frage, die bleibt: Ist das optimierte Gegenüber, so es sich denn tatsächlich hat optimieren lassen, wirklich das bessere Gegenüber? Oder das Verschlimmbesserte? Ein „bildungssprachliches Wort“ übrigens, dieses Optimieren, das weiß der Duden und er weiß ebenso, dass es ein „schwaches Verb“ ist. So sehe ich das auch – jenseits davon, dass sich der Verbstamm beim Optimieren und bei der Bildung des Präteritums und des Partizipperfekts nicht verändert.
Denn ebenso wenig verändert sich, und da sind wir mitten im Thema, der, die, das Partner, das Gspusi oder die Liebste in einer Beziehung, wenn wir versuchen, zu optimieren. Bleiben wir einfach, zumindest in diesem Text, bei der Optimierung des Mannes. Das Wiktionary teilt uns mit, dass Optimieren bedeute: „etwas weiterverbessern, soweit es nötig und auch möglich ist; etwas in den bestmöglichen Zustand versetzen“. Schauen wir uns an, in welchen Lebensbereichen wir den Mann überhaupt optimieren könnten, wenn wir es denn wollten. Oder ist es hin und wieder sogar ratsam, den Partner auf eine kleine Verbesserungsschleife zu schicken?
Ich teile einen Trauschein mit einem Mann in den allerbesten Wechseljahren. Wir sind beide nicht ordentlich, sind beide keine Messies, aber beide haben wir unterschiedliche Vorstellungen davon, was es heißt, unordentlich ordentlich zu sein.
Aus Gründen meines persönlichen Schönheitsgefühls, das, ich gestehe, auf Außenstehende rührend bis lächerlich wirken muss, versuche ich selbstverständlich meinen Liebsten dahingehend zu optimieren. Er soll mein Prinzip des Haufenmachens bei noch zu lesenden Printmedien, des Ablegens von Kleidung und des Verhüllens von Unordnung per schnellem Überwurf einer Decke oder eines Tuchs so akribisch befolgen wie ich.
Was soll ich sagen? Wir arbeiten dran, am wichtigsten hier natürlich: Verständnis. Denn für meinen Mann ist es etwa überhaupt kein Problem – obwohl er oft beteuert, wie gern er abwäscht –, dass sich das Geschirr in der Spüle deckennah und dann noch chaotisch, sprich nicht in Reih und Glied stapelt.
Optimierte, ja optimale Lösung? Selbst abwaschen? Nö. Also verbringe ich nicht wenig Zeit damit, das Schmutzgeschirr ästhetisch in der Spüle anzuordnen.
Beginnen wir mit der Kulinarik, streifen Kochen und Kühlschrank und enden auf dem Klo. Mein Mann könnte sich definitiv nur von Schokolade, Chips oder Knabbermischung plus Hefeweizen ernähren, ja er könnte so leben, er wäre wohl glücklich. Und? Da geht noch was, weil, mir ist das natürlich nicht ausgewogen genug – und „gesund“ schon gar nicht. Letzteres ein Wort aus meinem Mund, das meinen Mann fix und fertig macht, er isst dann lieber gar nichts und begibt sich gleich ins Bett. Was ich tue, um ihn kulinarisch zu optimieren? Ich füttere ihn mit delikaten Pralinen, ich kitzle mit einem Gianduja-Schlag seine durchaus vorhandenen, nur arg verschütteten Geschmacksnerven heraus, sodass er regelmäßig verzückt die Augen schließt. Und mir am nächsten Tag mit den originellsten Überbleibseln aus unserem betagten Kühlschrank, nein, keinen Dosentexaseintopf kocht, sondern sein ganz persönliches köstliches Süppchen, nur für uns zwei. Er ist übrigens ein Spitzenkoch – er denkt leider nur zu selten an diese Gabe. Auch da arbeiten wir dran. Und apropos Klo: Da bin ich fein raus, da muss ich ihn nicht optimieren. Wir haben zwei Toiletten. Er sitzt gefühlt regelmäßig 2,5 Stunden zu WC, ich höchstens zweieinhalb Minuten. Ich weiß nicht, ob wir noch ein Paar wären, wenn wir nur ein Klo hätten.
Ich erinnere mich gerade an einen alten Lieblingswitz von viel früher. Ein kleiner Junge, der vorher noch nie gesprochen hat, sitzt im Kreise seiner Familie am Esstisch. Plötzlich sagt er: „Salz!“ Die Familie freut sich scheckig, dass er spricht, fragt ihn, warum er bis jetzt nichts gesagt hat. Er antwortet: „Es hat ja nichts gefehlt.“ Mein Mann war früher auch recht einsilbig, mittlerweile lobt meine Schwiegermutter seine „liebevolle Sozialkompetenz“, oder so ähnlich. Hat die was mit mir zu tun? Kann sein. Wie ich das optimierend gedrechselt habe, um den Mann auf die doch recht selig machende Schiene der wechselseitigen, ja streckenweise zugewandten Kommunikation zu bringen? Ich interessiere mich für ihn, ich stelle ihm Fragen, ich höre ihm zu. Immer noch, nach all den Jahren. Das färbt ab.
Mein Mann ist extrem pflegeleicht, was seine Ober- und Unterbekleidung angeht. Ich optimiere ihn in der Wahl seines Outfits, seiner Unter- und Oberhosen, seiner Hemden und Pullis.
Die Optimierung besteht darin, dass ich, ja, ich weiß, total altmodisch, total gerne für ihn Anziehzeug kaufe.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich lege ihm in der Folge nicht abends die passende Klamotte für den kommenden Tag raus oder packe ihm prophylaktisch seinen Koffer. Bloß nicht! Da muss er schon selber danebengreifen.
Passiert aber nur noch selten, weil: Früher habe ich dahingehend schon optimierend eingewirkt. Die modischen Früchte unserer Beziehung ernte ich nun, na gut, mehr oder weniger. Finde ich ihn fesch? Ja.
Mein Mann hat keine Hobbys. Insofern kann ich ihn da nicht optimieren. Im Grunde hat er sein einziges Hobby schon lange vor meinem Eintritt in sein Leben zur Berufung gemacht. Er zeichnet den ganzen Tag und hat immer einen DIN-A4-Block unliniert dabei.
Davon lebt er, es ist also sein Job, und diesen Job betreibt er zeitweise in einer Eckkneipe, in der mittenmang ein Baum wächst. Was soll ich da noch optimieren?
Ein Tipp jedoch, den ich von einer Freundin bekam, deren Freund hingebungsvoll leuchtend gelbe Doktorfische sammelt: „Dagegen bist du machtlos. Da hilft, zumindest was das Hobby angeht, nur bedingungslose Liebe.“
Dieses eine Optimierungsthema fehlt Ihnen hier noch? Tja, da muss ich Sie enttäuschen, das bleibt süßes Geheimnis. Nur so viel: Selten optimal optimiert, das mit dem Sex, und das ist in der Theorie auch gut so. Wenn da in der Praxis nur nicht hin und wieder Leistungsdruck herrschte. Wummswumms: Es gibt so viele sexuelle Spielarten, allein, zu zweit, zu Rudel oder gar nicht – denken Sie zur Abwechslung einfach mal nur an sich selbst. Und denken Sie nicht ständig an das sowieso nur bedingt zu optimierende Gegenüber aka Mann – wie hier zu beweisen war. Haben Sie Ihren Spaß. Mit 17, 47, 57 und mit 85 Jahren. Ich zumindest peile ihn auch für dann schon mal an.
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