piwik no script img

Archiv-Artikel

Kein Spaß mehr

1. BUNDESLIGA Hannover 96 und der FSV Mainz 05 trennen sich am Samstag im Niedersachsenstadion mit einem Remis (1 : 1). Die Kritik an 96-Trainer Dietmar Hecking wurde lauter – die Zuschauer buhten und pfiffen ihn aus

Ein Teil der 29.000 Zuschauer hat das Vertrauen zum Trainer verloren

VON ROGER REPPLINGER

Es ist das erste Spiel der neuen Saison, aber es kommt kaum Freude auf. Als der Stadionsprecher alle Spieler von Hannover 96 vorgestellt hat und den Vornamen des Trainers nennt, damit die Fans dessen Nachnamen brüllen, pfeifen viele und ein paar rufen: „Hecking raus“. Da hat das Spiel gegen Aufsteiger FSV Mainz 05, das später 1 : 1 (0 : 0) endet, noch nicht angefangen.

Außenverteidiger Steven Cherundolo hat sich beim WM-Qualifikationsspiel der USA in Mexiko mit der Schweinegrippe angesteckt, und weil ihn zwei 96-Spieler besuchten, ohne das zu wissen, mussten nun drei Spieler vom Rest der Mannschaft isoliert werden. Einige Zeitungen schreiben „Quarantäne“, weil das dramatisch klingt und in Hannover das Leben nicht dramatisch ist.

Hannover 96 fehlten nun insgesamt sieben Spieler, darunter Jan Schlaudraff und Jan Rosenthal. So bot 96 eine Elf mit vielen Jungen auf, etwa dem 20-jährigen Manuel Schmiedebach, der bislang bei einem Bundesliga- und einem Pokalspiel eingewechselt wurde. „Gut gemacht“, wurden sie von Hecking gelobt. Das bezog sich auch auf den 22-jährigen Linksverteidiger Constant Djakpa, von Bayer Leverkusen gekommen, dem besten Mann auf dem Platz. Zusammen mit dem Stürmer Didier Ya Konan, ebenfalls Elfenbeinküste, der bei Rosenborg Trondheim in Norwegen spielte, 25 Jahre alt ist, 400.000 Euro Ablöse kostete und einen Vertrag bis 2012 bekam. „Rotzfrech spielen“, hatte Hecking von Konan verlangt. Und das tat er.

„Es war nicht schlecht“, sagte Konan, „für mein erstes Spiel, ohne richtiges Training mit der Mannschaft, aber ich hätte zwei Tore machen müssen.“ Er holte den Elfmeter heraus, der Hannover 96 durch Jiří Štajner den Ausgleich brachte (56.), nachdem Mainz mit seiner ersten und einzigen Torchance des Spiels das 0 : 1 durch Aristide Bancé erzielt hatte (53.).

Heinz Müller, Keeper von Mainz 05, hatte nach einem weiten Abschlag seines Gegenüber Robert Enke den kleinen Konan umgerannt, Schiedsrichter Felix Zwayer hatte drei Schritte Zeit gebraucht und dann auf Elfmeter und Gelb für Müller entschieden. Müller war von 1997 bis 2001 zweiter Mann hinter dem unverwüstlichen Jörg Sievers. Er war bei Odd Grenland, beim Lillestrøm Sportsklubb (Norwegen), beim Barnsley FC, und ist nun nach Deutschland zurückgekehrt. Für den Mainzer Stammtorwart Dimo Wache wird es nicht leicht.

Fünf Minuten vor Ende eines von Hannover über weite Strecken dominierten Spiels, hallte wieder „Hecking raus“ durchs Niedersachsenstadion. Ein Teil der 29.000 Zuschauer hat das Vertrauen zum Trainer verloren. Der Trainer hat kein uneingeschränktes Vertrauen mehr zu den Führungsfiguren von Hannover 96. Das hat mit dem misslungenen Transfer von Jan Šimák, VfB Stuttgart, zu tun. Ein Mitglied der 96-Führungsetage fütterte die falschen Leute mit falschen Informationen. So kam das Gerücht auf, Hannover 96 habe sich nicht richtig um Simák bemüht.

Hecking wurmt das: „In diesem Fall ist das Maß überschritten, das sind leichtfertige Aussagen, da werden Sachverhalte falsch dargestellt. Wenn so was losgeht macht es keinen Spaß mehr.“ Hecking kündigte ein Gespräch mit der entsprechenden Person an, in dem er die Frage stellen werde, was sich „die Person“ dabei gedacht hat. Aber 96 leidet unter mehreren Krankheiten. Bei Štajner ist es der Magen. „Der saß in der Halbzeitpause auf der Toilette und hatte Durchfall“, sagte Hecking, „da mussten wir mit einer Auswechslung rechnen, dann ging es ihm aber in der zweiten Halbzeit besser.“

Es kann sein, dass der unberechenbare Vereinsboss Martin Kind vor dem Auswärtsspiel gegen den 1. FC Nürnberg seinen Trainer entlässt. Kein 96-Trainer hat mehr Bundesligaspiele als Hecking, nur zwei Trainer haben überhaupt mehr Spiele bei 96 überlebt: Helmut „Fifi“ Kronsbein und Dieter Ferner. Es kann auch sein, dass Kind das Ergebnis des Nürnberg-Spiels abwartet. Es kann auch sein, er wartet länger ab. Gesund wird 96 so nicht.