: Gefühliges Österreich
Diesmal keine Sonnen-WM im beschaulichen Saalbach-Hinterglemm? Die Gastgebernation der Ski-WM 2025 tut sich schwer
Aus Saalbach-Hinterglemm Elisabeth Schlammerl
Nach dem Ortsschild Hinterglemm geht es schnell rein in einen kurzen Tunnel. Die Umfahrung des kleinen Zentrums war im Zug der ersten Ski-WM im Glemmtal vor 34 Jahren gebaut worden. Kommt man nach ein paar hundert Metern wieder raus aus dem Dunkeln, fällt der erste Blick fällt auf die riesige Tribüne. Sie steht im Zielstadion am Fuße des Zwölferkogels. Einerseits, andererseits eben auch mittendrin in Hinterglemm. Sie dominiert in diesen Tagen das Bild des kleineren Ortsteils der Gemeinde Saalbach-Hinterglemm.
Es ist nicht das einzige überdimensionierte Gebäude, das extra für die alpine Ski-WM errichtet worden war. Die meisten werden hinterher wie die Tribüne aber schnell wieder abgebaut. Die große Bühne auf der Medal Plaza zum Beispiel, das VIP-Zelt dahinter oder das „Home of Snow“. Österreichs traditionelle Partylocation darf dieses Mal nicht wie sonst „Tirolberg“ heißen, weil die WM ja nicht im Bundesland Tirol, sondern im Salzburger Land stattfindet. Die Beeinträchtigungen, die die Titelkämpfe mit sich bringen, nimmt die skiaffine Bevölkerung ebenso hin wie die Kosten, die so eine Veranstaltung verursacht.
Die Veranstalter haben es geschafft, eine WM der sehr, sehr kurzen Wege zu organisieren. Alles ist nur einen Katzensprung voneinander entfernt. Das haben sie sich in Österreich schön ausgemalt. Die rot-weiß-roten Skihelden sind zu Fuß in zwei, drei Minuten von der Siegehrung im „Home of Snow“, um sich dort mit ihren Medaillen feiern zu lassen.
Das Problem ist nur, die Österreicher befürchten, dass ihre Athleten und Athletinnen im „Home of Snow“ eher zur Frustbewältigung vorbeischauen müssen. Bis zur WM gab es nur zwei Siege, und die durch Cornelia Hütter. Die Männer schafften im Weltcup gerade einmal 8 Podestplätze, die Schweizer haben dagegen allein 14 Siege (3 für die Frauen, 11 für die Männer). ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober hatte am Wochenende die Gastgeber als „gefährliche Außenseiter“ bezeichnet, und da war mehr Hoffnung als Überzeugung mitgeschwungen.
Nach der verpassten Medaille zum Auftakt beim Teamevent am Dienstag sind Überzeugung und Hoffnung noch kleiner geworden. Als „Höchststrafe“ bezeichneten die Salzburger Nachrichten das Ausscheiden im Viertelfinale gegen Schweden. Dabei war in Österreich dieser Wettbewerb bisher stets belächelt worden, dieses Mal aber hätte er ein „Stimmungsmacher“, wie ÖSV-Alpinchef Herbert Mandl sagte, sein sollen.
Tagelang schon war der Geist von 1991 beschworen worden. Es war ja auch zu schön gewesen damals bei der ersten WM in Saalbach. Gleich im Eröffnungswettbewerb hatte es Silber gegeben – der Beginn eines rot-weiß-roten Siegeszuges mit am Ende fünf Goldmedaillen und insgesamt elf Mal Edelmetall. Petra Kronberger und Stephan Eberharter, Weltmeister von 1991, wurden rauf- und runter interviewt. Immer wieder zeigte der ORF die Bilder der wegen des anhaltend schönen Wetters als „Sonnen-WM“ in die alpine Geschichte eingegangenen Titelkämpfe.
Und dann dieses Mal das: Österreich wurde nur Sechster im Team-Event, noch hinter Deutschland, das im Viertelfinale knapp an der Schweiz gescheitert war. Gold holte Italien, die Schweiz holte Silber, für die Schweden gab es Bronze. Welch Schmach! Die Kronen-Zeitung, als Medienpartner eng mit dem ÖSV verbandelt und deshalb traditionell etwas sanfter mit Kritik, titelte „Fehlstart“. Der Kurier nahm es mit einer Prise Schmäh: „Mensch ärgere dich statt Vier gewinnt“.
Der ORF hatte noch am Abend stundenlang analysiert – und am Ende den Zuschauern das Gefühl vermittelt, dass die WM kaum mehr zu retten sein dürfte für Österreich. Mittendrin hatte Alpinchef Mandl noch tapfer versucht, der Schwarzmalerei etwas entgegenzutreten. „Das Potenzial ist nach wie vor da. Das müssen wir jetzt wegstecken.“ Dann sprach er von einem „gelungenen Start in die WM“ und meinte freilich die Stimmung („großartig“), für die die rund 15.000 Zuschauer gesorgt hatten.
Wenn es um Ski geht, neigen Österreicher zur Übertreibung, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung, und dazu, sich bei Misserfolgen selbst zu bemitleiden. Als Miriam Pucher das zweite Abfahrtstraining dominierte, vollzog der ORF eine 180-Grad-Wende. Die 32-Jährige aus dem Pongau wurde gleich in die Favoritenrolle für die Abfahrt am Samstag gehievt. Am Ende wird es irgendwo dazwischen enden. Zwischen den fast schon historisch erfolgreichen Titelkämpfen von 1991 und dem überzogenen Pessimismus einer medaillenlosen WM.
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