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Armes Bremen leistet sich teure Provisorien

An Bremens Schulen wird es eng und enger. Neue Schulen sind geplant – doch ihr Bau wird zurückgestellt, weil es an Geld dafür im Haushalt fehlt. Für Übergangslösungen in Containern werden derweil jährlich Millionenbeträge fällig

Teure Notlösung: Schulcontainer Foto: Eckhard Stengel/imago

Von Lotta Drügemöller

In Bremen fehlen Schulplätze. Das heißt, na ja: Irgendwie wird es wohl gehen, es muss ja. Die Vorlage für die Bildungsdeputation vergangene Woche zeigt es schließlich: An der Oberschule Sebaldsbrück kommen noch zwei Klassen extra unter, an der Roland-zu-Bremen-Oberschule in Huchting ebenfalls, und hier und da und dort auch – und am Ende wird jedes Kind in Bremen einen Schulplatz haben.

Die Schülerzahlen wachsen, gleichzeitig müssen manche Klassen kleiner werden, weil mehr Kinder einen Förderbedarf haben. Über die Stadt verteilt verlassen im Sommer 184 Klassen nach ihrem Abschluss die weiterführenden Schulen, nach den Ferien müssen dort 217 neue Klassenverbände eingerichtet werden – also 33 mehr.

Was die Überfüllung konkret heißt, weiß man an der Oberschule an der Kurt-Schumacher-Allee in der Vahr. „Kein Mauseloch“ habe er mehr, in das er Schü­le­r*in­nen stecken könne, sagt Schulleiter Christian Sauter. Das habe er im November auch der Schulbehörde mitgeteilt.

Aber was heißt schon voll: Vier Klassen werden die Schule dieses Jahr verlassen. Im nächsten Schuljahr kommen sechs neue. Und, das ist schon klar: Auch im übernächsten und in den Jahren danach soll aus der ursprünglich vierzügigen eine sechszügige Schule werden.

Möglich wird das über eine Lösung, die die Schulbehörde selbst im November noch völlig ausgeschlossen hatte: Container –die bieten ausreichend Platz.

Aber die zusätzlichen Klassen der kommenden Jahre brauchen auch andere Ressourcen: Der Platz auf dem Schulhof wird enger, die Fachräume werden rechnerisch ab 2027 nicht mehr allen Klassen Raum bieten, und für den Schulsport ist die Lage schon jetzt desolat: Die KSA-Oberschule muss aktuell bereits Turnhallenzeiten von drei anderen Oberschulen abknapsen, damit alle unterkommen. Es braucht neues Personal für alle Fächer und in der Verwaltung und zusätzliche Anwahlprofile müssen den Schü­le­r*in­nen angeboten werden. „Wir sind einfach konzeptuell auf vier Jahrgänge ausgerichtet. Jetzt auf einmal auf sechs aufzustocken, stellt alles auf den Kopf“, sagt Schulleiter Sauter.

Mit der Containerlösung ist Sauter einigermaßen glücklich: Die beste Option für eine schwierige Lage. „Container sind mittlerweile so gut, viele Schüler wollen da lieber rein als in marode Klassenräume.“ An anderen Bremer Schulen sind laut Achim Kaschub, Vorstand der Schulleitungsvereinigung Bremen, dagegen auch schon Musikräume aufgelöst worden, um Klassen unterzubringen.

Die Behörde allerdings hat mit den Containern eigene Maßgaben überschritten. Containerlösungen sollte es nicht mehr geben, wurde noch im Herbst den Schulen kommuniziert. Denn: Die Klassenräume auf Zeit müssen teuer angemietet werden.

Auswendig weiß man in der Schulbehörde gerade nicht, wie viel genau das kostet – eine Anfrage der taz von Donnerstagmorgen kann bis Montagnachmittag nicht beantwortet werden. Aber eine Anfrage des Stadtteilkuriers aus dem Dezember zeigt, dass sich die jährlichen Mieten für die Containerlösungen an 28 Schulen und Kitas in Bremen-Nord allein für diesen Bezirk auf jährlich sechs Millionen Euro summieren.

Die Lage wird sich in wenigen Jahren zuspitzen, denn die Kinderzahlen steigen weiter. „Vielleicht gelingt es dieses Jahr noch, überall Schulplätze zu reservieren“, sagt Kaschub von der Schulleitungsvereinigung. „Aber was ist im nächsten? Und was ist im Jahr danach?“ Ein Blick auf die Grundschulen zeigt: Die vielen Viertklässler, die dieses Jahr an weiterführende Schulen abgehen, werden von noch viel mehr Erstklässlern ersetzt. Auch an den Grundschulen herrscht akuter Platzmangel. 40 zusätzliche Klassenverbände werden dort dieses Jahr eingerichtet.

Steigende Schülerzahlen gibt es auch in Hamburg. In keinem Bundesland war laut statistischem Bundesamt der Anstieg zuletzt stärker. Aber dort plant man zwischen 2019 und Mitte der 2030er-Jahre eben auch die Neugründung von 44 und die Erweiterung von rund 120 Schulen. 21 davon sind bereits gegründet. So wurden zuletzt 99 Prozent der Hamburger Schü­le­r*in­nen zumindest einer ihrer drei Schulwünsche erfüllt . In Bremen bekamen zum laufenden Schuljahr 5,2 Prozent, also etwa jeder Zwanzigste, keinen Platz an einer von drei Wunschschulen.

Schulleitungsvorstand Kaschub wirft der Bremer Bildungsbehörde vor, es fehle an einer strategischen Planung auf Jahre hinaus. Dabei hat die Behörde in Bremen die Kinder nicht unbedingt übersehen. Man wusste in Teilen wohl, was kommt. Bloß: Man entschied sich trotzdem, neu geplante Schulen nicht zu bauen. Das Geld fehlt.

„So, wie dieses Jahr ist, können wir nächstes Jahr nicht weitermachen“

Miriam Strunge, Die Linke

Huchting, ein Stadtteil im Bremer Süden mit Sozialindex, ist gleich doppelt betroffen: Für zwei neue Schulen in dem kleinen Stadtteil gibt es „eine Beschlusslage“, wie es im Behördendeutsch heißt, also: eigentlich ein Okay. Eine Grundschule und eine Oberschule sollen neu entstehen, ein Investor ist gefunden und bereit zu bauen, aber: Wann es losgehen kann, das weiß aktuell niemand.

Die Folge: Grundschulen und eine Oberschule im Stadtteil werden überbelegt. Die CDU findet das „fast nicht zu verantworten“, und ist sich dabei einig mit Abgeordneten der Regierungsfraktionen. „Die Luft ist raus“, konstatiert Linken-Sprecherin Miriam Strunge. „So, wie es ­dieses Jahr ist, können wir nächstes Jahr nicht mehr weitermachen.“

Schon im Dezember mahnten Grüne und Linke eine bessere Kommunikation zwischen Schulen und Behörde und eine bessere Planung an. Aber selbst die Behördenleitung gibt den Bürgerschaftsabgeordneten recht. „Wir alle hier sind aus pädagogischen Gründen einer Meinung“, sagt Staatsrat Torsten Klieme. „Wir brauchen diese neuen Schulen in Huchting.“ Aber man sei sich „mit den Haushaltspolitikern nicht einig“ geworden. Das Finanzressort weist den Vorwurf zurück: Das Bildungsressort sei selbst verantwortlich, gut zu planen und auskömmliche Mittel zu beantragen.

Immerhin: Für die Zukunft stehen ein paar Lösungsansätze im Raum. Die Pilotgesellschaft Bildungsbau soll demnächst an sechs Modellstandorten probieren, wie Bremen trotz Schuldenbremse über eine ausgelagerte Gesellschaft Kredite aufnehmen und Schulen bauen kann. Außerdem soll das Bauen billiger werden, und schneller: Standards (auch in der Energieeffizienz) werden gesenkt und statt einer individuellen Planung wie bisher können neue Schulen nur noch zwischen drei verschiedenen Modulen wählen – ein ähnliches Modell wird in Hamburg praktiziert.

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