herzensort: Stundenlang ungestört bleiben
„Hotelbuffet, Mensa oder Krankenhauskantine – woran erinnert mich das hier?“, fragte ich mich, als ich zum ersten Mal das Galeria-Restaurant bei Karstadt am Hermannplatz in Berlin betrat. „An alles gleichzeitig!“, lautete die Antwort. Nach diesem ersten Besuch nutzte ich das Restaurant oft als Homeoffice, vor allem im Winter. Die Sonne schien hinein – wenn sie schien – und ich betrachtete, wie Tauben und kleine Wolken ihre Runden drehten. Gäste durften hier ungestört stundenlang bleiben, unabhängig davon, was sie bestellt hatten. Eine Freundin erzählte mir, dass sie dort im Sommer ihre Theaterstücke auf der Terrasse probte, eine andere machte an einem abgelegenen Tisch ihre Online-Therapie. Ich habe im Karstadt-Restaurant Menschen weinen sehen und Versöhnungen erlebt. Manchmal frühstückte ich Bratkartoffeln und Rührei, manchmal trank ich nur eine Tasse Kaffee, die man für 1,60 Euro nachfüllen durfte. Die Kohlrouladen oder den Schweinebraten habe ich nie probiert. Wenn das Restaurant nicht im Januar nach fast 100 Jahren für immer geschlossen hätte, hätte selbst ich als Vegetarierin vielleicht eine Ausnahme gemacht. Luciana Ferrando
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen