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Russische Häme für Deutschland

Russland blickt gelangweilt auf die anstehende Bundestagswahl in Deutschland. Putin und seine Anhänger halten das Land ohnehin seit Langem für „unsouverän“

Aus Moskau Inna Hartwich

Es ist immer wieder die gleiche Geschichte, die Wladimir Putin, fast schon belustigt, bei seinen Auftritten erzählt. Die Geschichte vom Geburtstag des deutschen Ex-Kanzlers Gerhard Schröder, „meines Freundes Gerhard“. Eines Tages sei er dort eingeladen gewesen, schöne Worte auf den Gast­geber, Toasts, feierliche Atmosphäre. „Und dann sprachen doch dort alle Englisch! Glückwünsche auf Englisch! Selbst die Mädchen vom Chor in Hannover haben auf Englisch gesungen!“ Putin macht eine Pause. Nur ein russischer Kosakenchor habe „aus Respekt vor der deutschen Nation“ auf Deutsch gesungen. Jawohl!

„Souveränität ist eine wichtige Sache“, wiederholt der russische Präsident nach dieser Erzählung, zuletzt bei seiner groß inszenierten Pressekonferenz im Dezember. „Souveränität muss im Innern, im Herzen verankert sein.“ „Das deutsche Volk“ aber sei des „Gefühls von Heimat und Souveränität“ beraubt worden. Das sei die Wurzel aller Probleme, die Deutschland in diesen Tagen erlebe. Keine Souveränität im Herzen heiße auch keine wirtschaftliche ­Souveränität, auch keine politische.

In diesem Duktus blickt das offizielle Russland auch auf die anstehende Bundestagswahl: mit wenig Interesse. Es hält das Land für schwach – und eben unsouverän. Entschieden werde ohnehin in den USA. Die Deutschen seien schlicht Befehlsempfänger.

Wenige Monate vor seinem Auftritt im Dezember hatte Putin vor jungen Wis­sen­schaft­le­r*in­nen bereits Ähnliches von sich gegeben: „Manchen aus der deutschen Regierung fehlt die Professionalität, um qualitativ hochwertige Entscheidungen zu treffen. Ich will da keine Namen nennen, aber die ganze Welt lacht über sie.“

Das Herumreiten auf der „Souveränität“ zeigt Zweierlei: Es ist Putins eigene Kränkung, vom geliebten Deutschland, von dem er in der Vergangenheit fast schon mit Wärme und stets voller Sehnsucht sprach, nach dem Überfall in die Ukrai­ne quasi aufgegeben worden zu sein. Es ist auch die Überzeugung, in Deutschland werde nichts selbst entschieden. Deshalb die Reden Putins, über Deutschland lache die Welt. Deshalb auch die Aussagen des russischen Außenministers Sergei Lawrow, der deutschen Regierung sei jegliches Schamgefühl verloren gegangen.

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Deutschland müsse Russland ewig dankbar sein, es sei schließlich Moskau gewesen, das zur deutschen Wiedervereinigung beigetragen habe. Die Deutschen aber seien nicht dankbar, stattdessen haben sie – zusammen mit Frankreich – die territoriale Unversehrtheit der Ukraine zerstört. Die Ukrai­ne habe schließlich das Minsker Abkommen nicht befolgt, als dessen Garant sich auch Deutschland präsentiert habe.

Deutschland spiele damit nun keine Rolle mehr bei der „Regulierung der Ukraine-Frage“, sagte Lawrow bei seiner Pressekonferenz vor wenigen Tagen. Olaf Scholz wiederhole ohnehin immer dasselbe, selbst im vertraulichen Gespräch mit Putin, klagte Lawrow fast: Russland müsse die Ukraine verlassen. „Kein Wort über die eigentlichen Ursachen der Krise“, sagte der 74-Jährige.

Russlands Staatsmacht sieht Deutschland als konfrontative und unbewegliche Marionette der USA. In den russischen Medien kommt die anstehende Wahl in Deutschland kaum vor. Und wenn, dann ist sie negativ konnotiert: „Ganz schlechte Prognosen“, schreibt der kreml­loyale Politologe Sergei Markow: „Wahrscheinlich wird der künftige Bundeskanzler Merz heißen. Und er ist bekanntlich für größere Waffenlieferungen an die Ukraine.“

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