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Regenbogenflagge über ThailandQueeres Fest der Liebe für alle

Thailand startet Homo-Ehe mit Massenhochzeiten von LGBTQ-Paaren. Die Regierung inszeniert sich als modern und die Reisebranche hofft auf gute Geschäfte.

LGBTQ-Paare posieren in Hochzeitskleidung bei den Feiern zur Gleichstellung der Ehe in einem Regierungsgebäude in Bangkok Foto: Jirasak Jivawavatanawanit/ap/dpa

Berlin taz | Überglücklich präsentierten Apiwat „Porsch“ Apiwatsayree (49) and Sappanyoo „Arm“ Panatkool (38) ihren rosa umrandeten Trauschein auf Facebook, garniert mit zwei roten Herzen: „Erster Tag der Ehegleichheit in Thailand, wir sind jetzt offiziell und legal Mann und Mann.“

Seit diesem Donnerstag können in Thailand LGBTQ-Paare heiraten. Damit ist das Königreich das erste Land in Südostasien und nach Taiwan und Nepal das dritte in ganz Asien, in dem die Ehe nicht nur heterosexuellen Paaren offensteht.

Die seit über zehn Jahren liierten und seit 2014 verlobten Apiwatsayree und Panatkool sind die Stars der seit vielen Jahren populären Thai-TV-Serie „Boys’ Love“ und zugleich die Gesichter der Kampagne für die Einführung der Ehe für LGBTQ-Paare. Wie die beiden Promis heirateten am Donnerstag in ganz Thailand Hunderte gleichgeschlechtliche, festlich gekleidete Paare.

Zentrum der Ja-Wort-Welle war die Massenhochzeit mit einer schrill-bunten Party in der Shopping Mall Siam Paragon. Der Luxuskonsumtempel mit 495.000 Quadratmetern Fläche ist so etwas wie Bangkoks gute Stube, Ort von Ausstellungen und Festen und wegen seines Megaaquariums ein populäres Ausflugsziel.

Selbst der Teppich ist in Regenbogenfarben

Jetzt schritten dort Hunderte LGBTQ-Paare über einen Teppich in Regenbogenfarben zum Bund des Lebens, während draußen schon den vierten Tage in Folge die Stadt im Smog versank und etliche Schulen geschlossen bleiben musste.

Auf der politischen Agenda stand die Eheöffnung seit Jahrzehnten. Es mussten aber zum einen gesellschaftliche und religiöse Widerstände überwunden werden. Zum anderen blieben gesellschaftspolitische Reformen durch die politischen Turbulenzen der letzten Jahrzehnte lange liegen.

Erst 2024 gaben die beiden Parlamentskammern mit großer Mehrheit ihr Ja-Wort, im September unterzeichnete König Maha Vajiralongkorn das Gesetz, das nach der gesetzlichen Frist von 120 Tagen jetzt in Kraft trat.

Die sich als queer beschreibende Mookdapa „Mook“ Yangyuenpradorn ist eine der vielen Aktivist:innen, die seit vielen Jahren für die Eheöffnung gestritten haben. Mook freut sich über den letztlichen Erfolg einschließlich des Adoptionsrechts für LGBTQ-Paare. Doch bedauert sie das Scheitern des Bestrebens, in dem Ehegleichheitsgesetz „Eltern“ durch einen genderneutralen Begriff zu ersetzen.

Aktivistin klagt über „Rainbow Washing“

„Diese Denkweise ist bei den Politikern noch tief verwurzelt“, sagt Mook der taz. Damit bleibe es letztlich den Behörden überlassen, ob sie ein LGBTQ-Paar als Adoptiveltern akzeptieren.

Für Apiwatsayree und Panatkool ist die Eheöffnung kein Grund, ihr Engagement für die Rechte der Community zu beenden. Schon bei der Jubelfeier vor dem Bangkok Art and Cultural Center in der Nachbarschaft des Siam Paragon nach der Zustimmung des Senats zur Ehegleichheit im Juni 2024 betonten die beiden Männer gegenüber der taz, die Gleichberechtigung sei erst dann komplett, wenn es auch ein Antidiskriminierungsgesetz gebe.

Thailand wäre nicht Thailand, würde Angenehmes nicht mit dem Nützlichen und ausgelassene Partys nicht mit lukrativen Geschäften verbunden. Ab Februar will das Fremdenverkehrsamt TAT Marketingaktivitäten für LGBTQ starten, um Thailand zu einem der weltweiten Topdestinationen für Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare zu etablieren.

Heute weht die Regenbogenflagge stolz über Thailand

Premierministerin Paetongtarn Shinawatra

So manche Ak­ti­vis­t:in­nen sehen die Kommerzialisierung ihres Engagements für Gleichberechtigung kritisch. Die prominente lesbisch-feministische Aktivistin Matcha Phorn-in betont: „Es muss uns bewusst sein, dass es Rainbow Washing ist. Wir können nicht zulassen, dass Kooperationen oder Unternehmen den Regenbogen zu ihrem Vorteil nutzen, ohne Richtlinien umzusetzen, die die Inklusion von LGBTQ+ zu einer echten Realität machen.“

Auch die Regierung nutzte das Inkrafttreten der LGBTQ-Ehe, sich als modern und fortschrittlich zu präsentieren. „Dieses Gesetz zur Gleichstellung der Ehe markiert den Beginn eines stärkeren Bewusstseins der thailändischen Gesellschaft für Geschlechtervielfalt und unsere Akzeptanz aller Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, Rasse oder Religion“, sagte Premierministerin Paetongtarn Shinawatra in einem Video mit Regenbogenrahmen auf der Plattform X und fügte hinzu: „Heute weht die Regenbogenflagge stolz über Thailand.“

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