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Intimität und Information direkt ins Ohr

Es gibt kaum ein Thema, das noch nicht seinen Weg indie Podcastlandschaft gefunden hat: auch auf dem taz lab

Du bist nicht allein – solange dir ein charmantes Moderationsduo beim Abwasch Gesellschaft leistet. Denn Podcasts lassen sich immer und überall hören. Sie erfordern weniger gezielte Aufmerksamkeit als Audiobooks und sind – Musik-Strea­ming-Anbietern sei Dank – jederzeit abrufbar. Dabei sind sie keineswegs uninformativ oder schlecht recherchiert, im Gegenteil. Es ist der lockere Plauderton der Hosts, der das Format eingängig macht und das Hören nebenbei ermöglicht.

Funktion, Format und Frequenz sind dabei keine Grenzen gesetzt. Gut recherchierte True-Crime-Formate wie „Mordlust“ bieten in düsterer Atmosphäre ­Einblicke in die Welt des Verbrechens. Kurze Newsfolgen halten ihre Hö­re­r:in­nen im Alltag auf dem Laufenden, während die Kaulitz-Brüder ein wenig L. A.-Glamour aus den Hollywood Hills nach Europa senden. Einschlafen beim Zuhören ist auch kein Problem – Toby Baiers Podcast „Einschlafen“ ist genau dafür gemacht.

Doch es sind vor allem sogenannte Laberpodcasts, die jede Woche Millionen Klicks erzielen. Zwei Mo­de­ra­to­r:in­nen treffen sich wöchentlich, wie der Name schon sagt, zum Labern. Man kennt die Insiderjokes, versteht Callbacks zu vergangenen Folgen und kennt die Namen der Eltern. Meist prominent besetzt, thematisch nicht gebunden, popkulturell aktuell, aber nicht zu politisch. Sie suggerieren, dass man stillschweigend Teil ihrer Freundesgruppe ist – von „Jan und Olli“, „Tommi und Felix“, „Alice und Maxi“.

Diese Unmittelbarkeit und Nähe machen den Suchtcharakter aus: Was sagen die beiden zum neusten Medienskandal? Schon den Raptrack vom letzten New Music Friday gehört? Lästert doch mal ein bisschen über die Branche – drei Monate Sommerpause? Bitte nicht! Sie wollen wieder gehört und inzwischen sogar wieder gesehen werden. Wie Musik-Acts gehen die meisten Podcasts min­destens ein Mal jährlich auf Tour, verkaufen Merch und machen Fotos mit ihren Fans.

Von wegen kurze Aufmerksamkeitsspanne dank Social Media: Gerade im Konsumverhalten von jungen Leuten haben die langen, intensiven Gespräche längst kurze schnelle Radiomoderationen zwischen den ewig gleichen Songs von Ed Sheeran abgelöst.

Dabei begann die Erfolgsgeschichte des Audioformats in Deutschland genau dort, im Radio: Am 9. September 2012 waren die Podcast-Urgesteine Jan Böhmermann und Olli Schulz erstmals gemeinsam in einem Podcastformat beim Sender Radio Eins zu hören. „Zwei alte Hasen spielen die zweite Geige“ lautete der Titel der ersten Folge, die immer noch sehr hörenswert ist und einen sehr detaillierten Einblick in das damalige Zeitgeschehen gibt. Podcasts als zukünftige Dokumentationen vergangenen Zeitgeists? Wir werden sehen … oder hören.

Das einstige Nischenformat hat sich längst zu einem der beliebtesten Audioformate entwickelt, daher soll es auch in diesem Jahr beim taz lab wieder eine Pod­cast­bühne geben – mit einer Mischung aus politischen Formaten, soziologischen Themen und ein bisschen Glamour und Unterhaltung. Louisa Zennia

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