: Wird der Emmauswald verhökert?
Aus der Anwort des Senats auf eine Linken-Anfrage lässt sich schließen: Für Neuköllns einzigen Wald könnte es nicht einmal eine Ersatzpflanzung geben
Von Claudius Prößer
Die Zeichen stehen schlecht für den Neuköllner Emmauswald, seit der Senat das Bebauungsplanverfahren an sich gezogen hat. Angesichts der schwarz-roten Politik der Beschleunigung von Wohnungsbauvorhaben dürfte dem Bau von rund 600 Wohnungen durch die Vonovia-Tochter Buwog auf dem einstigen Friedhofsgelände nichts im Wege stehen. Die Antwort der Senatsbauverwaltung auf eine parlamentarische Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Katalin Gennburg und Ferat Koçak lässt nun auch darauf schließen, dass der Investor sich mit einer fünfstelligen Summe wird freikaufen können.
Rodung wohl rechtssicher
Die Landesregierung hält die Genehmigung der Rodung des 4 Hektar großen Wäldchens offensichtlich für rechtssicher, wenn diese die „vollständige forstrechtliche Kompensation“ festsetze – im Anschluss an eine „gerechte Abwägung“.
Auf die Frage der Abgeordneten, ob es nicht besser für die Allgemeinheit wäre, wenn Neuköllns einziger Wald zur Klimaanpassung erhalten bliebe, anstatt ihn Renditezielen zu opfern, antwortet der Staatssekretär für Bauen, Alexander Slotty (SPD) nur: „Dieser Aspekt geht in die Abwägung des Bebauungsplans ein.“
Die Verwaltung spart sich jegliche konkrete Antwort in Bezug auf die klimatische Bilanz von Rodung und Bebauung oder die Rolle einer wohnortnahen Waldfläche zur Stärkung der Klimaresilienz. Fehlanzeige auch bei der Frage, ob hier tatsächlich „überwiegende öffentliche Belange“ vorliegen, die durch das gerade in Kraft getretene Schneller-bauen-Gesetz an Gewicht gegenüber Naturschutzaspekten gewinnen – schließlich soll weniger als ein Drittel der Wohnungen als geförderte Mietwohnungen entstehen.
Auch hier bleibt es beim dürren Verweis auf die Abwägung aller Aspekte. Durch das Schneller-bauen-Gesetz (SBG) änderten sich die Anforderungen nicht, so Slotty – was aus Sicht der Linken so nicht stimmt: Teil des von Bausenator Christian Gaebler entwickelten SBG waren Anpassungen im Landeswaldgesetz. Das hebt nun unter anderem die Möglichkeit deutlicher hervor, Ausgleich für den Verlust von Waldflächen mit der Zahlung einer „Walderhaltungsabgabe“ zu kompensieren.
Streng genommen war das auch schon vorher der Fall. Zur Anwendung kam das Prinzip im Entwicklungsgebiet Adlershof/Johannisthal, dort durfte ein Bauherr 2,7 Hektar Kiefern gegen die Zahlung von 48.900 Euro roden. Wie aus der Antwort hervorgeht, floss das Geld an die Berliner Forsten für „Maßnahmen zu Gunsten des Berliner Waldes“. Ähnlich könnte es in Neukölln laufen – eine Ersatzfläche würde nicht entstehen, schon gar nicht standortnah.
Der Senat handele „undemokratisch und kurzsichtig“, kommentiert Katalin Gennburg: undemokratisch, weil er sich gegen den BVV-Beschluss stelle, den Wald zu erhalten, kurzsichtig, weil Natur vernichtet werde, „die in Zeiten von Klimakollaps und Artensterben immer mehr an Bedeutung gewinnt“. Ferat Koçak sieht den Konflikt um den Emmauswald als „symbolisch für die gescheiterte Klimapolitik“ von Schwarz-Rot. „Für uns ist klar: Emmauswald bleibt!“, verkündet er gewohnt kämpferisch.
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