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Farbtupfer gegen die Verwirrung

Immer mehr Menschen werden WissenschaftlerInnen zufolge mit Demenz ins Krankenhaus eingewiesen. Die sind oft ratlos. Dort könnten, das zeigen Studien, schon kleine Veränderungen den Alltag erleichtern. In Lübecker und Kieler Kliniken gibt es jetzt erste DemenzbegleiterInnen

Von Esther Geißlinger

Für Menschen mit Demenz sind Krankenhäuser der blanke Horror: Weiße Zimmer und gerade Flure sind schlecht für die Orientierung, laute Geräusche machen Angst. Die Folge ist oft eine Verschlechterung des Zustands bis hin zum „Delir“. Angesichts der alternden Gesellschaft müssen sich Kliniken auf verwirrte Pa­ti­en­t:in­nen einstellen. Studien und Leitfäden bieten Praxistipps. Ob sie umgesetzt werden, ist in den einzelnen Häusern sehr unterschiedlich.

Ein gemeinsames Esszimmer, gemütliche Sitzecken und so wenig Behandlungen wie möglich: In der „Silvia-Station“ im Flensburger Malteser-Krankenhaus sieht es eher wie in einem altmodischen Hotel aus als in einer Klinik. Die Station ist nach der schwedischen Königin benannt, die nach der Demenzerkrankung ihrer Mutter die Silviahemmet-Stiftung gründete, die sich der Erforschung und besseren Behandlung der Krankheit widmet. Auch die Universitätskliniken Schleswig-Holstein in Kiel und ­Lübeck haben sich auf Demenzkranke eingestellt. ­Unter anderem gibt es ehrenamtliche Demenzbegleiter:innen, die den Betroffenen zur Seite stehen.

Aber grundsätzlich „braucht es langen Atem, etwas zu ändern“, sagt Antje Holst. Sie ist Referentin bei der Alzheimergesellschaft Schleswig-Holstein und befasst sich seit Jahren mit der Versorgung Demenzkranker in Krankenhäusern. Gerade in den kleineren Regionalkliniken sei aber noch „Luft nach oben“, sagt Holst. Sie bemängelt, dass in Schleswig-Holstein Demenzbeauftragte nicht gesetzlich vorgeschrieben sind. Andere Bundesländer, darunter Niedersachsen, haben dieses Instrument.

Denn das Problem wächst Wis­sen­schaft­le­r:in­nen zufolge stetig. Schon heute leben rund 1,8 Millionen meist ältere Menschen in Deutschland mit einer Vergess-Krankheit, bis 2050 könnten es 2,4 Millionen sein. Laut einer Studie im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung weisen 40 Prozent aller Pa­ti­en­t:in­nen über 65 Jahre kognitive Störungen auf. Fast jeder Fünfte leidet an Demenz. Hochgerechnet werden täglich rund 50.000 Betroffene in ein Krankenhaus eingewiesen.

„Demenz ist in den allermeisten Fällen nicht Grund für die Einweisung“, sagt Antje Holst. Oft sei die Demenz nicht einmal diagnostiziert, weil die Betroffenen in ihrer vertrauten Wohnung noch irgendwie ­zurechtkämen.

In der Klinik, wo alles fremd ist, fällt dann erstmals auf, wie verwirrt die Menschen sind: Sie finden ihr Zimmer nicht mehr, können auf Fragen nicht antworten, stehen nachts auf und versuchen, nach Hause zu gehen. Im schlimmsten Fall geraten sie in den Delir genannten Zustand, den die Deutsche Hirnstiftung als „akute Wesensänderung“ definiert, begleitet von einer „Unordnung der Wahrnehmung sowie einem selbstgefährdenden Bewegungsdrang“. Menschen im Delir erkennen Angehörige nicht mehr oder leiden unter Halluzinationen. Das ist nicht nur schrecklich für die Betroffenen, sondern verteuert auch die Behandlung stark, belastet also das Gesundheitssystem, so Antje Holst.

Hochgerechnet werden täglich rund 50.000 Betroffene in ein Krankenhaus eingewiesen

Inzwischen gibt es mehrere Angebote und Hilfen, um Krankenhäuser „demenzsensibel“ einzurichten. Der Leitfaden „Demenz im Krankenhaus“, den die Ingenium-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem „Bayerischen Institut für alters- und demenzsensible Architektur“ entwickelt hat, zeigt Fotos von guten und schlechten Beispielen und gibt praktische Tipps, wie ein Zimmer oder eine Etage eingerichtet sein sollte. Hilfreich ist beispielsweise, wenn jede Etage in einer anderen Farbe gestrichen ist und es Ruhebereiche gibt, in die sich Pa­ti­en­t:in­nen zurückziehen können.

Bei der Umsetzung hilft der „Praxisleitfaden zum Aufbau demenzsensibler Krankenhäuser“, den die Robert-Bosch-Stiftung 2019 herausgab. Die Stiftung startete 2012 das Programm „Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus“, der Leitfaden fasst die Ergebnisse zusammen. Eine eindeutige ­Definition für „Demenzsensibilität“ fehlt bisher, doch es gibt eine Reihe von Merkmalen, die sich in der Architektur, den ­Arbeitsabläufen und vor allem der Haltung des Krankenhauspersonals widerspiegelt.

Es sei eine Vielzahl von Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachten, sagt Holst, die Workshops für Pflegekräfte und Klinik-Verantwortliche gibt: „Etwa beim Thema Essen.“ Wird die Mahlzeit unter einem Deckel auf einem grauen Tablett neben dem Bett abgestellt und später wortlos wieder abgeräumt, ist für Menschen mit fortgeschrittener Demenz nicht einmal klar, dass es sich um Essen handelt. „Es braucht Kontraste, damit sie es erkennen“, sagt Holst. Schon ein buntes Tablett, von dem sich der Teller abhebt, wirkt – und bringt einen Farbtupfer in den Klinikalltag. Von einer demenzsensiblen Atmosphäre profitierten in erster Linie die Betroffenen und ihre Angehörigen, aber auch anderen Pa­ti­en­t:in­nen und das Personal der Krankenhäuser: „Was Demenzkranken hilft, tut allen gut“, sagt Holst.

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