: Radiojournalist in Ecuador ermordet
Leonardo Rivas ist nur eines von vielen Opfern. Die Presse lebt in einem Klima der Angst
Von Knut Henkel
Guayas heißt das Schwungrad der ecuadorianischen Ökonomie mit dem größten Hafen des Landes – Guayaquil. Doch die industriell geprägte Millionenmetropole und die umliegenden Städte sind in den letzten drei, vier Jahren zum Epizentrum der organisierten Kriminalität mutiert, so die Studie von Journalisten ohne Ketten.
Sie erschien Anfang November und attestiert der gesamten Küstenregion mit der Drehscheibe Guayaquil, eine Hochrisikozone für Berichterstatter:innen zu sein. Drohungen gegen Journalist:innen sind alles andere als ungewöhnlich, Selbstzensur weit verbreitet, so die Studie, die auf zahlreichen Interviews mit Journalist:innen aus der Region basiert. Sechs miteinander konkurrierende Kartelle agieren in Guayas. Eines könnte für den Mord an Leonardo Rivas, Reporter von Radio Cariñosa, verantwortlich sein.
Der Journalist wurde am 23. November in seinem Wagen auf dem Weg nach Daule, eine Kreisstadt nördlich von Guayaquil, erschossen. Mehrere Kugeln trafen Rivas, der förmlich exekutiert wurde und noch am Tatort verstarb. Der erste Journalistenmord in Ecuador in diesem Jahr ereignete sich nur ein paar Hundert Meter entfernt von einem Militärposten. Vieles deutet auf einen typischen Auftragsmord hin, berichtete nicht nur der Lokalsender Radio Cariñosa, auch etliche andere Medien.
Darunter auch die Medienstiftung Fundamedios, die sich in der Andenregion für die Pressefreiheit engagiert und die Regierung von Präsident Daniel Noboa aufforderte, eine gründliche Untersuchung zu garantieren, „damit die Verantwortlichen dieses brutalen Angriffs auf die Pressefreiheit in Ecuador gefasst werden“.
Fundamedios und auch die zweite Medienstiftung Ecuadors, Journalisten ohne Ketten, berichten immer wieder, dass Gewalt gegen Berichterstatter:innen, von der Morddrohung über den Versand von Briefbomben bis zu Mord, oft nicht geahndet wird. Das führe unter anderem dazu, dass seit Januar 2023 14 Berichterstatter:innen ins Exil geflohen seien. Nicht ohne Grund, zwischen Juni und Mai 2024 hat die 2018 gegründete Stiftung Journalisten ohne Ketten 933 Angriffe auf Berichterstatter:innen dokumentiert: 426 gegen Männer, 291 gegen Frauen und 216 gegen Sender und Redaktionen. Darunter 27 direkte Attentate auf Redaktionen und Journalist:innen.
Die Folge: Ganze Regionen verlören ihre etablierten Medien, oft Tageszeitungen. Ein Beispiel ist die Zeitung El Ferrodiario aus der Kleinstadt Durán nahe Guayaquil, die traurige Berühmtheit für ihre Bandenkriege mit vielen Opfern erhalten hat. Darüber wird es fortan keine fundierte Berichterstattung mehr geben. Die Redaktion hat im Oktober ihr Erscheinen eingestellt. Für die Stiftung ist das ein herber Verlust.
Typisch für die Situation in Ecuador, für die die Regierung und die Sicherheitskräfte mit verantwortlich sind. „Jede Redaktion ist angreifbar, wir werden nicht beschützt“, kritisiert Alina Manrique. Sie leitet die Redaktion vom Nachrichtenkanal TC Televisión in Guayaquil. Der wurde im Januar von einer bewaffneten Gruppe gestürmt, die live auf Sendung ging, bis Polizei und Militär den Spuk beendeten. Manrique arbeitet weiterhin für den Sender und ist, anders als von ihr angedacht, nicht ins Exil gegangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen